Trappist-1f verschwand so unauffällig, als wäre er nie da gewesen. Es gab keinen Knall. Kein letztes Aufleuchten. Nichts.
Plötzlich war ein Planet verschwunden.
Nach einer langen Nacht- ich hatte neun Stunden lang die molekulare Struktur eines neu entdeckten Gesteins von Trappist-1c untersucht- wollte ich nur noch ins Bett.
Vielleicht ein kleines bisschen die Maximalgeschwindigkeit überschreitend, raste ich also, mit schweren Augen, auf die Koordinaten von meinem Heimatplaneten, Trappist-1f, zu.
Nur um irgendwann zu merken, dass ich nicht auf ein strahlendes Blau zujagte, sondern einfach ins Nichts fuhr.
Erst dachte ich, ich hätte mich verfahren. Wieder und wieder gab ich meine Zielkoordinaten ins Getriebe ein. Doch mir wurde jedes mal angezeigt, dass ich mein Ziel bereits erreicht hatte.
Nur konnte das nicht sein. Schließlich schwebte ich mitten in der Leere. Da war nichts weiter als mein Lichtstrahl und ich, die in der Blase immer müder, verzweifelter und wütender wurde.
Unwirsch schob ich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht. Was sollte das denn jetzt? Den Weg von meinem zweitem Labor auf der Raumstation RS42a zu Trappist-1f hatte ich schon in deutlich benebelteren Zuständen gefunden. Es war quasi unmöglich, dass ich mich verfahren hatte!
Aber, dass Trappist-1f, der Planet, auf dem ich mein Geophysik-Studium absolviert, Freundschaften geschlossen und ein eigenes Labor gegründet hatte, einfach verschwunden sein sollte, erschien mir dann doch unmöglicher.
Der Energieerhaltungssatz von Mayer bewies schließlich eindeutig, dass Energie nicht einfach so verschwinden konnte- auch wenn die Gesamtbilanz der Energie im Universum bekanntlich bei null lag.
Deswegen wechselte ich fünfmal das Netz, konnte kaum glauben, was alle öffentliche Quellen berichteten: Trappist-1f war verschwunden.
Menschen berichteten von Bewohner:innen des Planeten, die sie nicht mehr erreichen konnten. Satellitenbilder, waren ausgefallen. Der komplette Wahnsinn.
Mein Gehirn befand sich bereits in der ersten Trauerphase. Ich wollte einfach nicht wahr haben, dass ein Planet einfach so verschwinden konnte. Es war doch einleuchtend, dass Millionen von Lebewesen, Gebäude und Organismen nicht einfach so aufhören konnten zu existieren.
Ganz automatisch schaltete ich auf mein privates Netz um, damit ich Tashi, meine engste Bezugsperson erreichen konnte.
Xier nahm sofort bei dem ersten Klingeln ab. Ungewöhnlich, schließlich hatten nicht nur ich eine anstrengende Schicht hinter mir und bei Tashi stand dann erstmal Schlafen auf dem Plan.
"Süße, wie geht es dir? Lebst du noch? Der Sonne sei Dank, dass du mich anrufst. Ich konnte dich nicht erreichen, die Netzannahme ist im Umkreis von Trappist-1f ist nicht mehr möglich, weil das ganze Netz dort verschwunden ist. Du bist doch gerade auf dem Weg nach Hause, oder?“
Tashi hatte schon immer viel geredet, aber gerade überschlugen xies Worte sich fast vor Aufregung und Angst.
Durch xies Verzweiflung verknotete auch mein Magen sich, während ich mit brennenden Augen weiterhin nach meiner Heimat suchte, als würde Trappist-1f jeden Moment wieder auftauchen.
Hätte ich jetzt etwas gesagt, dann wäre ich sofort in Tränen ausgebrochen.
Zum Glück schien mein schweres Schlucken Auskunft genug für Tashi zu sein:,"Ich bin so schnell es geht bei dir, dann schauen wir uns das Ganze mal an, okay?“
Auf xies Weg blieben wir über das Netz verbunden, während ich erst mich und dann alle Informationen sammelte. Zwar forschte ich normalerweise an der physischen und geologischen Zusammensetzung von Planeten oder einzelnen Organismen, aber dass ich mich jetzt mit Trappist-1f Verschwinden beschäftigen würde, war gar keine Frage für mich.
Nur stellte sich die Suche dann als deutlich schleppender vor, als anfangs angenommen. Es war schlichtweg nichts zurückgeblieben, was ich untersuchen konnte. Und die Suche nach inaktiven schwarzen Löchern dauerte meist Jahre.
Trotzdem ließ ich nicht locker, erweiterte meine Forschung weiter auf naheliegende Exoplaneten… Bis dann der nächste Gesteinsplanet verschwand.
Es war ein langer Tag, tief unter der Oberfläche von Trappist-1g gewesen, als mich die Eilmeldung erreichte.
Dieser Planet hatte sich mehrere Petameter von dem ehemaligen Koordinaten von Trappist-1f entfernt befunden, war nur von wenigen tausenden Lebewesen bevölkert und vor gerade mal vor drei Jahren entdeckt worden.
Wieder gab es keine Spuren des Verschwindens, das sagte man mir, bevor ich mich entschied, dennoch dort hin zu reisen.
Mir von der Reise abzuraten war logisch, denn schließlich betrachtete ich aus meiner Blase wieder nur einen leeren Fleck im Universum.
Danach grub ich mich durch sämtliche Bücher, sammelte alle Informationen, die es zu diesem neuen, verschwundenen Planeten gab.
Doch irgendwann blieben meine Gedanken wieder da hängen, wo sie gestartet waren: Energie ging nicht verloren. Ein fundamentaler Grundsatz, der schon lange vor meiner Zeit herausgefunden worden war.
Eigentlich gab es nichts, was diese Theorie widerlegen konnte, dennoch… Der Urknall hatte viele Theorien bereits widerlegt, selbst die Relativitätstheorie. Bis heute wussten die Physiker nicht, was genau vor und bei der Entstehung unseres Weltalls wirklich passiert war- ob aus dem Nichts, durch Quantenfluktuation oder zehn Raumdimensionen - Beweise gab es für nichts. Also was, wenn das Universum sich irgendwann Teil für Teil wieder zersetzte? Wenn nicht nur massive Sterne zu schwarzen Löchern werden konnten, sondern ganze Planeten einfach verschwanden? Was, wenn das Ende des Universums sich genauso unerklärlich und unaufhaltsam wie sein der Beginn gestaltete?
Eine Supernova hätten niemand übersehen können, aber das All war noch so unerforscht, da wusste doch keiner, ob schon ein paar dutzende Planeten verschwunden waren.
Aber was würde aus uns werden, wenn bald keine Planeten existierten?
Wenn das Universum sich nach und nach wieder zersetze?