Der erste und letzte Marsch

Wettbewerbsbeitrag von Ben Schoppe, 19 Jahre

Es gab einmal ein Mädchen, ein Mädchen, das anfing zu träumen als es aufwachte. Sie wollte mehr sehen als nur die vier Wände, die sie kannte, sie wollte raus. Noch bevor ihre Mutter es am morgen bemerken konnte, war sie weg. Ihr Name war Karina. Planlos, aber mit einem Ziel ging sie in Richtung der nächsten Rekrutierungsstation der „Neuen Pioniere“. Ihr kamen Zweifel, als sie das riesige Gebäude mit all den Menschen, Maschinen und gewaltigen Raumschiffen erblickte, sie zögerte, doch dann tippte ihr jemand auf die Schulter. Es war ein fast zwei Meter großer junger Mann und er fragte, mit einem vorsichtigem Lächeln im Gesicht, wo man sich denn wohl anmelden könnte. Karina fehlten zuerst die Worte, doch dann antwortete sie, dass sie auch noch auf der Suche sei und stellte sich vor. Der junge Mann tat es ihr gleich und stellte sich als Sam vor. Plötzlich konnte man ein lautes Rufen hören. In der Menschenmenge konnte Karina nicht erkennen, von wo der Aufruf kam, Sam bemerkte das und nahm sie sanft an die Hand. Als beide sich dann nach einer langen Warteschlange für die Ausbildung zum „Intergalaktischen Pionier“ eingeschrieben hatten, betraten sie das Schiff. Karina blickte durch ein kleines Fenster, sie konnte sehen, wie die Erde immer kleiner wurde und schlussendlich verschwand. Sam hingegen schien die Aussicht nicht sonderlich zu interessieren, er genoss in aller Ruhe ein Glas eingelegte Gurken. Auf Karinas Frage, warum gerade Gurken, antwortete er nur, dass es gegen die Raumfahrtübelkeit helfen solle. Nach ein paar Stunden kam das Schiff auf Safron K an. Der Planet war rau, nichts wuchs auf der Oberfläche und auch die Luft konnte man nur schwer atmen. Die Gruppe wurde sofort in einen Aufzug getrieben. Es ging abwärts. Angekommen, wurden sie über Abläufe, Regeln und Aufgaben informiert. Karina kam diese Einweisung etwas unzureichend vor, wollte aber nicht gleich am ersten Tag was sagen. Als die Gruppe zu ihren Schlafplätzen geführt wurde, bemerkte Karina, dass keiner der Soldaten lächelte, geschweige denn mit einem anderen Soldaten redete. Alle beobachteten nur, wie ihre Gruppe an ihnen vorbei lief. Später legte sie sich dann schlafen. Als sie aufwachte war es noch dunkel und es schien so, als wäre sie die Einzige, die erwacht war. Aber warum und was hatte sie überhaupt geweckt? Plötzlich hörte sie ein Geräusch, sie drehte sich um und sah einen in Schweiß gebadeten Sam. Er saß einfach da, ganz ruhig auf einem Stuhl sitzend mit dem Blick gen Fenster. Nach ein paar Minuten stand er auf, da man hören konnte, wie ein paar andere aus der Gruppe wieder ins Zimmer kamen. Sie flüsterten sich Dinge zu und lachten leise als sie ihn sahen. Karina sah, dass er irgendwie traurig schien, sie nahm ein Stück Brot und warf es in Richtung Tür. Die anderen hörten das und rannten schnell zu ihren Betten. Auch Sam legte sich wieder hin, doch vorher wandte er sich noch einmal zu Karina und flüsterte ein leises Danke. Monate vergingen. Mittlerweile hatte sie sich mit Sam angefreundet. Sie erfuhr, dass auch sein Vater sein Leben auf ähnliche Weise verloren hatte. Mit der Zeit wurde ihre Gruppe immer kleiner und Karinas und Sams Freundschaft immer inniger. Karina entwickelte Gefühle für ihn, aber war sich nicht sicher welcher Art. Die Ausbildung ließ wenig Platz zum nachdenken. Nach einigen Wochen voller Training, Kloputzen und Theorie über den Planeten wurden die Verbleibenden auf den Innenhof geführt. Ein Offizier mit nur einem Arm und die Brust geschmückt mit Orden hielt eine kurze Ansprache, bevor er ihnen zu ihrem Abschluss beglückwünschte. Karina und Sam hörten nur wenig, da sie weit hinten standen. Sie scherzten, was für große Helden sie jetzt wohl werden würden. Am Ende sagte der Offizier noch, wo die Gruppe als erstes stationiert werden würde. Karina bekam es nicht mit, Sam jedoch schon. Sie zerrte ihm am Ärmel und er drehte sich langsam um, sein Gesicht war ganz blass geworden. Karina fragte ihn eindringlich, bis er endlich damit rausrückte. Die Gruppe wurde auf Ebene 713 beordert, eine Mission zur Sicherung der Ebene. Nun verstand Karina, warum Sam so blass war und warum alle Soldaten die ganze Zeit über so still und seltsam waren. Es war von Anfang an beschlossen. Karina konnte hören wie ein anderer aus der Gruppe leise zu Sam murmelte, dass dies unser erster und letzter Einsatz sein würde. Die Beglückwünschung fühlte sich nun mehr und mehr nach einer Trauerrede an. Die wenigsten schaffen es aus einer solchen Mission lebend zurück. Denn wenn es um Ebenen auf Safron K geht, heißt tiefer immer schlechter. Karina musste an ihren Vater denken. Sie erinnerte sich noch genau an den Bericht über seinen Tod: „Ehrenvoll gestorben bei der Verteidigung seiner Kameraden, als sie von Bestien überrannt wurden, 11. Juli 2086, Planet Safron K, Ebene 334." Stillen Schrittes betrat die Gruppe den Aufzug. Derselbe, der sie auch Anfangs hinuntergefahren hatte. Auf dem Weg nach unten flüsterten einige aus der Gruppe, ein anderer wiederum übergab sich kurzerhand. Karina blickte zu Sam auf, dieser erwiderte den Blick und gab ihr eine kurze, aber warme Umarmung bevor sich das Gitter vom Fahrstuhl wieder öffnete. Sie drückte ihren Kopf tief in seine Felljacke. Als sie ihren Kopf wieder hob, kam die Gruppe in Bewegung. Eine riesige, mit Tunneln durchzogene, brennende Waldlandschaft bot sich ihren Augen. Als wären sie in der Hölle gelandet. Es regnete Asche. Ihren Lungen füllten sich mit der heißen Luft und der Geruch von Rauch war fast unerträglich. Plötzlich bebte die Erde. Man konnte hören, wie sich etwas aus der Ferne näherte. Es hörte sich an wie ein donnerndes Gewitter, aber nicht nur eines, tausende und sie kamen näher. Es war ohrenbetäubend. Alle versuchten panisch auszumachen, woher der Lärm kam. Doch es war bereits zu spät. Karina erstarrte bei dem Anblick. Sam ergriff hastig ihre Hand und sie rannten um ihr Leben.

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Ben Schoppe