Mission Themis

Wettbewerbsbeitrag von Karolina Stauber, writtenbykaro, 23 Jahre

An diesem Ausblick werde ich mich niemals satt sehen.
Ich starrte von dem Fenster meines Raumschiffes auf den roten Planeten hinab. Nach fast einer Woche konnte ich immer noch nicht glauben, dass wir uns tatsächlich in seiner Umlaufbahn befanden. Schon als kleines Mädchen, als ich mit meiner Familie noch in einer Favela gelebt hatte, hatte ich von den Sternen und Himmelskörpern geträumt. Noch immer erwachte ich jeden Morgen mit Vorfreude im Bauch und konnte es gar nicht erwarten, meinen frisch hydrierten Kaffee mit dem besten Ausblick zu genießen. So wie jetzt.
»Kommandantin.« Als ich die Stimme meiner Flugingenieurin Murphy hinter mir vernahm, drehte ich mich zu ihr herum. »Wir haben Wort von der Bodenstation erhalten. Die Wetterbedingungen haben sich verbessert und wir haben Freigabe zur Landung.« Trotz meiner langjährigen Erfahrung begann mein Herz nun doch Vorfreude schneller zu schlagen. Bisher war es ein normaler Morgen gewesen. Wobei das Aufwachen auf dem Raumschiff Themis als normal zu bezeichnen, eigentlich einer Beleidigung gleichkam. Aber jetzt würden wir uns dem Hauptteil unserer Mission widmen.
»Die Vorbereitungen sind beinahe alle abgeschlossen. Wir nehmen letzte Prüfungen vor und können dann mit dem Landeanflug starten«, berichtete sie.
Ich nickte. »Ich bin gleich so weit. Die Crew soll sich bereithalten. «
»Jawohl, Kommandantin Souza.«
Nachdem ich mich wenig später in meinem Sitz im Cockpit festgeschnallt und mein Headset aufgesetzt hatte, überprüfte ich die Zahlen der letzten Stunden. Wir befanden uns noch immer in der marsnächsten Umlaufbahn »Perijovum« und alle Werte schienen optimal. Damit war ich mehr als zufrieden. Meine Flugingenieurin schwebte wenig später ebenfalls in die Pilotenkanzel.
»Die Crew ist bereit.« Nachdem sie sich eingerichtet hatte, sah sie zu mir herüber. Ihre rötlich-braunen Locken standen wie immer wild von ihrem Kopf ab, was sie wie die Definition einer verrückten Wissenschaftlerin aussehen ließ.
»Dann wollen wir mal Geschichte schreiben.« Ich grinste sie an und sie erwiderte den Gesichtsausdruck. Anschließend richtete ich meinen Blick wieder nach vorne auf die Anzeigegeräte und holte tief Luft, um meine innere Aufregung unter Kontrolle zu bringen. Es war äußerst essentiell, jetzt einen kühlen Kopf zu bewahren. Dann startete ich das Logbuch.
»Logbucheintrag Kommandantin Ana Souza und Flugingenieurin Aisling Murphy. Erdzeit 06. September 2035. Landeerlaubnis wurde erteilt. Beendigung des Orbitalfluges. Initiierung des Bahnmanövers zur Landung. Eintrag Ende.«
Ich stoppte die Aufnahme und Murphy übernahm sofort. »Triebwerkschub in drei... zwei... eins... Rückstoßmotor gezündet... « Die Zündung war durch das gesamte Schiff zu hören und zu spüren. Unser Cockpit neigte sich nun merklich nach vorne. Eine Sekunde lang fühlte es sich an, als befanden wir uns auf dem höchsten Punkt einer Achterbahn,... »Abschaltung des Rückstoßmotors in fünf ... vier... drei... zwei... eins... Positionskorrektur zum Eintritt in die Atmosphäre erfolgreich.« ...um uns kurz darauf in die Tiefe zu stürzen. Natürlich war das etwas überspitzt dargestellt. Orbitale Manöver unterlagen ausgeklügelten mathematischen und physikalischen Berechnungen. Niemals würde man ein Raumschiff unseren Ausmaßes einfach zu Boden stürzen lassen.
»Werte des Hitzeschildes weiterhin konstant. Atmosphäreneintritt in unter dreißig Minuten«, meldete Murphy über das Mikrofon ihres Kopfhörers.
»Verstanden.«
Die nächsten Minuten überprüften wir die wichtigsten Zahlen wie unseren Eintrittswinkel, unseren geplanten Eintrittspunkt sowie die prognostizierte Geschwindigkeit kontinuierlich, bis plötzlich ein rotes Licht in Dashboard zu brennen begann. Murphy zog geräuschvoll die Luft ein.
»Atmosphäreneintritt bereits in dreißig Sekunden«, stellte ich irritiert fest. »Wie kann das sein, Murphy? So verfehlen wir unseren Eintrittspunkt um tausende Kilometer und damit auch die freigegebene Landezone.«
»Ich versuche es selbst zu verstehen, Kommandantin. Eine derartige Abweichung sollte bei den angezeigten Zahlen nicht möglich sein.« Murphy klang angespannt. Sie zog die Brauen hochkonzentriert zusammen.
»Vorschläge?« fragte ich.
»Einen Korrekturschub, um unser Fenster zu erreichen. «
»Erlaubnis erteilt. «
Murphy löste erneut das Triebwerk aus und erzielte damit die notwendige Änderung. Wir erreichten wenig später unser richtiges Eintrittsfenster. Wenn wir die Landung erfolgreich hinter uns gebracht hatten, würde ich berechnen müssen, wie viel Treibstoff wir nun zusätzlich verbraucht hatten. Im All war dieser ein wichtiges und knappes Gut. Gerade als wir uns von diesem Schreck erholt hatten, flammte das nächste Warnlicht auf.
»Überlastung des Hitzeschildes. Wir müssen schneller sinken, sonst verglühen wir!« meldete meine Ingenieurin.
Verdammt. Durch unseren früheren Fehler waren wir zu lange in Atmosphärennähe gewesen, was unser Schild länger belastet hatte, als ursprünglich geplant. Nun mussten wir uns irgendwie Zeit erkaufen.
»Genehmigt. Übernimm die Landung. Ich initiiere eine Umleitung der Kühleinschleusung in die Schilde, um einen Kollaps zu verhindern.« Das Schiff ruckelte inzwischen ordentlich und ächzte unter dem äußerlich einwirkenden Druck. Für eine lange Sekunde bangte ich, ob mein Plan funktionieren würde, aber zu meiner Erleichterung hielten die Schilde. Der Boden kam in Sichtweite und Murphy setzte das Schiff erfolgreich am geplanten Punkt auf. Mein Herz klopfte wie wild, als ich das Steuer losließ. Meine Finger schmerzten.
Auf wackeligen Beinen, primär durch die Schwerelosigkeit der letzten Wochen, aber auch durch das abfallende Adrenalin, machten wir uns auf den Weg, um das Schiff zu verlassen. In unseren Raumanzügen, behangen von Orden und Auszeichnungen, traten wir kurz darauf vor den gesandten Abgeordneten.
»Willkommen auf dem Mars«, begrüßte uns dieser höflich. »Wir freuen uns die Erde zum ersten Mal auf der intergalaktischen Versammlung begrüßen zu dürfen.«

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Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Karolina Stauber, writtenbykaro