„Aufstehen, Amira!“, rief meine große Schwester. Ich war noch müde und nuschelte „Uff“, als Lara mir meine Decke wegriss. Mit einem Schlag war ich hellwach. Ich seufzte und richtete mich auf. „Heute ist der große Tag!“, sagte Lara und deckte schwungvoll den Tisch. Beinahe wäre ihr ein Teller heruntergefallen. Das passierte ihr öfters, was zur Folge hatte, dass wir häufig für unsere Schwestern-WG Geschirr kaufen mussten. „Welcher große…“, fing ich an, doch da fiel es mir schlagartig wieder ein: Heute würden wir gemeinsam die größte Reise unseres Lebens antreten: Eine Reise zum Mond. Genau genommen war es keine Reise, sondern eine Forschungsexpedition. Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. Wie konnte ich so etwas Wichtiges nur vergessen? Ich war 30, nicht 300! Ich setzte mich zu Lara an den Frühstückstisch. Oder besser gesagt: Ich rollte zu ihr. Mein Rollstuhl quietschte mal wieder, doch ich ignorierte es. Lara bot mir eine Semmel an, aber ich lehnte ab. Vor lauter Aufregung auf die Expedition bekam ich fast nichts runter. Nach dem Essen schaltete Lara den Fernseher an. „… werden die beiden Astronautinnen Lara und Amira Leicht heute auf den Mond fliegen, um dort wissenschaftliche Experimente durchzuführen und Informationen zu sammeln“, sprach ein Reporter aus dem Fernseher. Mein Herz pochte vor Aufregung bis zum Hals und rutschte mir in die Hose. Der Reporter sprach von uns! Ich starrte mit riesigen Augen zum Fernseher, Lara tat es mir gleich. Ich wurde immer nervöser. In ein paar Stunden ging sie los, unsere Reise zum Mond!
Am selben Tag, allerdings am Nachmittag, spazierten, beziehungsweise rollten wir noch eine Runde, bevor wir in ein paar Stunden starten würden. Ganz normale Dinge wie Bäume, Häuser und Blumen würden wir in der nächsten Zeit nicht mehr sehen. So aufgeregt ich auf unsere gemeinsame Expedition war, so froh würde ich wahrscheinlich sein, wenn wir wieder auf der Erde ankommen würden. Andererseits war ich schon sehr gespannt auf das Weltall, das ich bisher nur durch Teleskope bewundern konnte. Dieses unendliche Etwas, von dem wir Menschen so wenig wussten, faszinierte mich schon seit meiner Kindheit. Mein Herz fing an, immer schneller zu pochen, als ich an die Expedition dachte.
Ein paar Stunden später machten wir uns auf den Weg zu der Rakete. Vor dem Raketenstart gab es noch einiges zu besprechen und zu organisieren. Zwei Stunden später war es so weit: Lara und ich machten uns auf den Weg zu unserer Rakete. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich daran dachte, wie weit wir bald von der Erde entfernt sein würden. Ich versuchte meinen Atem zu kontrollieren, der immer schneller wurde, je näher wir der Rakete kamen. Lara und ich schauten uns noch einmal auf der Erde, unserer Heimat um, die wir bald nur noch von Weitem sehen würden. Dann blickten wir uns tief in die Augen, grinsten uns an und fuhren den Aufzug zur Rakete hoch. Ein letzter Blick nach unten und wir stiegen ein. Es war nicht einfach gewesen, einen speziellen Rollstuhl für mich zu entwickeln, in dem ich problemlos reisen und auf dem Mond herumfahren konnte, doch es hatte funktioniert. In der Rakete war es sehr eng, wir saßen aneinandergedrängt nebeneinander. Dann startete der Countdown: 10, 9, 8, 7, 6, ich wurde immer aufgeregter. 5, 4, 3 „Gleich geht’s los“, ging es mir durch den Kopf. Mein Herz raste. 2, 1… „Oh Gott!“, rief ich vor lauter Aufregung. …0! Der Countdown war abgelaufen. Jetzt war es so weit. Wir würden 3 Tage lang durch das Weltall fliegen und schließlich am Mond ankommen! Ich konnte es kaum glauben. Die Rakete beschleunigte so schnell, dass Lara und ich in unsere Sitze (beziehungsweise ich in meinen Rollstuhl) gedrückt wurden. Es war nicht besonders angenehm, doch ich genoss das Kribbeln in meinem Bauch.
3 Tage später, inzwischen schwerelos, waren wir immer noch unterwegs. Allerdings hatte die Rakete ihren unteren Teil schon abgeworfen, sodass nur noch der kleinere obere Teil übriggeblieben war. Dann war es so weit: wir konnten den Mond sehen! Und zwar so nah, wie wir ihn noch nie zuvor gesehen hatten. Ich war überwältigt. „Gleich landen wir!“, rief Lara. Doch dazu kam es nie: aus einem unerklärlichen Grund wurde unsere Rakete zur Seite gerissen. Plötzlich drehte sich alles und mir wurde schwindelig und schlecht zugleich. Ich realisierte, dass wir uns in großer Gefahr befanden, denn ein Meteorit flog geradewegs auf uns zu! Lara bewegte sich nicht, sie war in Schockstarre. Ich musste handeln, sofort! Ich wurde kreidebleich und meine Arme zitterten in dem dicken Raumanzug. Ich atmete schneller und schneller und mein Herz rutschte mir in die Hose. „Tu was, Amira! Sonst gibt’s eine Katastrophe!“, dachte ich mir. Genau das tat ich dann auch: ich lenkte die Rakete haarscharf an dem Meteoriten vorbei, sie kam leider etwas ins Straucheln bei dem Manöver. Ich musste landen, irgendwo! Ich blickte mich nach einem geeigneten Landeplatz um. Der Mond war mittlerweile so weit weg, dass unsere Rakete dort ungünstig gelandet- und womöglich kaputtgegangen wäre. Aber plötzlich entdeckte ich etwas: einen etwas unförmigen Klumpen, der fast so groß war wie der Mond. Er sah aus wie ein Zwergplanet. Ich checkte die Oberfläche und stellte verwundert fest, dass auch diese der dem Mond glich. Mein Atem ging schneller. Sollte ich es riskieren und dort landen? Was blieb mir anderes übrig? Also riskierte ich es. Das Landemanöver funktionierte. Lara hatte inzwischen ihre Schockstarre überwunden und starrte erst mich- und dann den Zwergplaneten, auf dem wir gelandet waren, mit großen Augen an. „Du… du hast uns gerettet!“, stotterte sie. Nachdem wir uns beruhigt hatten, zogen wir unsere Sauerstoffrucksäcke an und wagten uns nach draußen. Der Planet glich dem Mond tatsächlich, bis auf einen gravierenden Unterschied: dieser Zwergplanet hatte eine eigene Atmosphäre und wir konnten atmen! Das stellte Lara fest, die eine Ameise aus der Rakete krabbeln sah. Wir wunderten uns darüber, dass sie überlebte und nahmen ganz vorsichtig unsere Helme ab. Und tatsächlich: Wir konnten atmen! Das war eine Sensation! Ich konnte es kaum glauben: wir hatten einen neuen Planeten mit eigener Atmosphäre entdeckt!
Epilog: Durch Amiras heldenhaftes Rettungsmanöver hatte sie nicht nur ihrer Schwester das Leben gerettet, sondern auch einen neuen Planeten entdeckt! Die beiden Astronautinnen Amira und Lara Leicht funkten ihre Kollegen auf der Erde an, berichteten über ihren Fund und kehrten einen Monat später auf die Erde zurück. Sie wurden wie Heldinnen gefeiert. Der von ihnen entdeckte Planet bekam noch einen Namen: Planet Amira.