PROLOG
Die Menge jubelte uns zu. Ich stand mit meinem Team, genannt The Explorers of Mars, auf der Raketenaußentreppe und winkte in die Massen von Reportern und Wissenschaftlern. Meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und in meinem Magen rumorte es wie acht Bowlingkugeln im Schleudergang. Ich zwang mich tief durchzuatmen. Nur noch eine dreiviertel Stunde bis zu unserem Start. Valentina Tereschkowa war 1963 als erste Frau im Weltraum gewesen. Und ich würde nun, knapp 80 Jahre später, eine der beiden ersten Frauen auf dem Mars sein. Ich würde das schaffen.
CA. ACHT MONATE SPÄTER. FRÜHLING 2043. AUF DEM MARS. Der Druck, der wegen der Landung auf meinen Ohren entstanden war, ließ langsam nach. Mit einer schnellen Bewegung öffnete ich meinen Mund um das beklemmende Gefühl endgültig loszuwerden und blickte mich in der Rakete um. Meine Crew lag ebenfalls noch auf ihren Pritschen und langsam ließ ich meinen Blick über sie schweifen. Greg, unser Chef bei der ganzen Aktion, Mr. Hempshire, ein reicher Millionär, der unserer Raumfahrt-Firma eine ziemlich hohe Geldsumme gezahlt haben musste, um bei dieser Expedition dabei zu sein, Sybyl, unser Superhirn, und natürlich meine Wenigkeit: Hazel Jordan. 24-Jährige Astronautin und Tochter des Chefs einer der größten Raumfahrtbehörden der Welt. Ach ja, und dann war da noch Scott. Der hitzköpfige und leider sehr attraktive Sohn von Greg. Außerdem kümmerte er sich um den Kontakt zur Erde. Mein Blick blieb an ihm hängen und eine unangenehme, plötzliche Kälte rieselte mir über den Rücken, als ich daran dachte, dass ich vielleicht nur noch wenige Tage Zeit hatte, ihn richtig kennen zu lernen. Denn bis jetzt wusste noch niemand so genau, ob wir diese Expedition überleben würden.
„Und jetzt, der feierliche Augenblick: Hazel Jordan setzt als erster Mensch einen Schritt auf den Mars.“ Scotts Stimme klang schnarrend und leicht verzerrt durch den Lautsprecher des Beamers. Die gesamte Crew hatte sich auf einem der Sofas in unserem Aufenthaltsraum in der Rakete eingefunden und starrte auf die weiße Wand, an der gerade nochmal unsere Landung und die erste Besichtigung abgespielt wurden. Ich musste grinsen als ich sah, wie ich versuchte den leichten Linkstick unserer Flagge mit einem Fußtritt zu kaschieren. Als ich sah, dass sich Scotts Mundwinkel ebenfalls hoben, schoss mir das Blut ins Gesicht und ich drehte mich schnell zu Sybyl um.
Nach dem Mittagessen, einem widerwärtigen Konservenfutter, machten wir uns zu unserer bereits vierten Erkundungstour auf. Eingepackt in unsere superteuren Thermoanzüge, die uns sogar gegen die -100 Grad Celsius, die hier machmal herrschten, schützten, stapften wir über den roten Sand zu unseren Raupenfahrzeugen. „Du fährst mit Scott, Hazel. Ich nehme Mr Hempshire zu mir“, wies Greg mich an. „Aber…“, widersprach ich, doch Scott schwang sich schon die Treppe hinauf. „Nur, dass das klar ist: Ich fahre“, gab ich bockig zur Kenntnis und drückte den gelben Knopf, sodass sich das Fahrzeug schnurrend in Bewegung setzte. Vor uns ragte ein riesiges, zerklüftetes Felsenmeer in die unendliche Weite des Alls und Scott gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich direkt darauf zu steuern sollte. Ich nickte und fuhr auf eine große Felsöffnung zu. Dunkelheit verschluckte uns fast sofort. Ich zuckte zusammen, als sich ein brauner Haarschopf über mich beugte und die Scheinwerfer einschaltete. Scott grinste und legte beruhigend eine seiner Handschuhhände auf meinem Oberschenkel. „Na? Angst vor den kleinen grünen Männchen?“ Es wurde immer dunkler. Eiskristalle bildeten sich an den Scheiben und über das Surren des Fahrzeuges legte sich allmählich ein zweites, schnaufendes Geräusch. Als ob ein riesiges Etwas Luft holen würde. Ich wurde langsam nervös. Nicht, dass ich an die kleinen grünen Männchen glaubte, aber… „Stopp!“. Erschrocken drückte ich auf die Bremse. Mit weit aufgerissenen Augen deutete Scott durch die Frontscheibe auf etwas, das vor uns war. Zuerst erkannte ich überhaupt nichts, doch gleich darauf entwich mir ein leiser Schrei. Vor uns ragte etwas riesiges auf. Ich hatte keine Ahnung was, nur, dass sich seine rötlich braun gefärbte Brust hob und senkte. Es atmete. Die Finger meines Mitfahrers krallten sich so fest in meinen Oberschenkel, dass es weh tat. „Fahr ganz langsam rückwärts Hazel“ Ohne zu zögern kam ich seiner Anweisung nach, doch ein Blick nach vorne und ein Blick in Scotts entsetztes Gesicht genügten, um zu wissen, dass das Ding uns bemerkt hatte. „Fahr!“ schrie er, und das tat ich. Plötzlich blieb unsere Raupe abrupt stehen und riesige Krallen bohrten sich durch das Metalldach unseres Fahrzeuges. Etwas traf mich am Kopf. Blut rann über mein Gesicht und ich schrie auf. Dann wurde alles schwarz.
Blinzelnd schlug ich meine Augen auf und blickte in ein besorgtes Gesicht. „Scott?“, fragte ich genauso matschig wie ich mich fühlte. „Hazel!“ Scott lächelte erleichtert. „Alles ist gut, okay? Du bist in Sicherheit. Greg startet gerade die Rakete.“ Ich nickte benommen. „Was ist passiert?“ fragte ich ihn. „Als du ohnmächtig geworden bist, habe ich Greg über Funk informiert und versucht, das Vieh versucht mit Dynamit abzulenken. Hat nicht so gut geklappt, schätze ich“. Grinsend hob er einen bandagierten Arm. „Ich bin so unglaublich froh, dass du lebst“, sagte er mit belegter Stimme. „Ich…“ begann ich mit heißem Gesicht. Doch Scotts Lippen unterbrachen meine Worte. Sanft legten sie sich auf meine und... „Hazel, Scott! Das Biest hat unsere Rakete entdeckt!“ Keuchend fuhr Greg dazwischen. „Es kommt! Wir müssen starten! Schnallt euch sofort an! Das hier“, er fuchtelte mit der Hand in unsere Richtung, „hat später auch noch Zeit“. Gerade als unsere Gurte eingerastet waren, prallte etwas mit solcher Wucht gegen die Rakete, dass wir schmerzhaft in unsere Gurte gepresst wurden. Das Biest. Was auch immer es war, es war auf jeden Fall kein kleines grünes Männchen. Es war ein totbringendes Monster. Aber ich hatte es überlebt. Und ich hatte Scott. Wir würden wieder kommen…