Während ich von beiden Seiten von Gejubel angefeuert wurde, versuchte ich, mich auf die Maschine vor mir zu konzentrieren. Der Galaxyracer, das neueste Raumschiff auf dem Markt, wurde von seinen Entwicklern enthüllt. Ein Staunen floss durch die Zuschauermenge. Mit zitternden Händen berührte ich die leicht schimmernde Oberfläche des Gefährtes und nahm das kontinuierliche Summen unter der Haut wahr. Ich spürte die ovalen Augen der Wesen hinter mir, sie beobachteten die fliessende Bewegung, mit der sich die Türe des Galaxyracers öffnete. Die Aurorer winkten mir in ihren zierlichen Gestalten, deren Haut in sanften wechselnden Farben glänzte, ähnlich wie die Oberflächen einer Seifenblase, zu. Die Tür des Raumgefährtes glitt durch eine leichte Handbewegung geräuschlos und nahtlos zur Seite und ich trat durch den schimmernden Lichteffekt. Im Innenraum versammelte ich meine Abteilung in Pyramidenform. Als Oberoffizierin im Bereich der intergalaktischen Missionen, trug ich die Verantwortung für die Soldatinnen vor mir. Obwohl wir Aurorer nicht gerade dafür bekannt sind, eine besonders aussagekräftige Körpersprache zu besitzen, erkannte ich die Trauer und Angst in den ovalen Augen meiner Schützlinge. Jedem fiel es schwer, Abschied von ihren männlichen Geliebten zu nehmen. Diese mussten zurückbleiben, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. Ihre schwache Gestalt erlaubte es ihnen nicht, mit uns weiblichen Wesen auf Augenhöhe zu sein.
Als der Galaxyracer seine leistungsstarken Ionentriebwerke aktivierte und das Raumschiff sanft abhob, machte ich mich auf den Weg zum Cockpit. Die Steuerzentrale des Raumschiffes war von einer transparenten Kuppel umgeben, die mir einen Panoramablick auf die himmlischen Wunder von Auroron bot. Staunend bewegte ich mich auf die riesige Kuppel zu, die unseren Planeten, als leuchtenden Ball in der unendlich drückenden Dunkelheit präsentierte. Auroron, ein Planet, der für seine himmlischen Polarlichter bekannt war, die in blendenden Mustern über den Himmel zogen. Die Oberfläche des Planeten, geschmückt mit schillernden Farben, erinnerte mich an meine Kindheit. Genau wie für meine Schwester, war es für mich schon immer klar, dass ich mich im Gebiet der interstellaren Beziehungen weiterbilden möchte. Als Armeevorsteherin war meine Schwester noch einen Rang über mir und konnte mir deshalb die Autorität erteilen, dieses Luftschiff und die Mission dahinter anzutreiben. Obwohl wir in unserer Galaxie zu den Vorreitern in Sachen neuester Technologien gehörten, unternahmen wir interstellare Missionen, um unsere Umgebung noch weiter zu erforschen.
Mit Hilfe von Fusionsreaktoren beschleunigte sich der Galaxyracer und erzeugte ein künstliches Wurmloch. Noch immer wusste ich nicht, worum es bei dieser Mission konkret ging. Zum Wohle meiner Soldatinnen ließ ich mir meine Ungewissheit aber nicht anmerken. Mit dem Raumschiff reisten wir durch Lichtjahre und erreichten innert weniger Sekunden unser Ziel, einen unbewohnten Planeten. Der unbekannte Planet schien in einem Wolkenmeer zu schweben, das ständig von einem hauchdünnen Nebel umhüllt war. Ich staunte wie präzise die Beschreibung meiner Schwester mit dem Bild hinter der Kuppel übereinstimmte. Die Landschaft des Planeten, eine faszinierende Kombination aus schwebenden Inseln und kolossalen Bergen in der Luft, mit Wasserfällen, die der Schwerkraft zu trotzen schienen und eher in den Himmel als auf den Boden stürzten. Wie abgemacht benutzte ich die verschlüsselte Kommunikationsfrequenz um mitzuteilen, dass wir soeben die Atmosphäre dieses unberührten Planeten durchdrungen hatten. Nur einen Augenblick später hörte ich über die Frequenz, die Echtzeitübertragungen über grosse Entfernungen erlaubte, die Stimme meiner Schwester. «Hör mir gut zu und halte dich genau an meine Worte. Es handelt sich hierbei um eine höchst fragile Angelegenheit». Ich schluckte. Natürlich konnte ich sofort erkennen, wie angespannt meine Schwester war. «Unter dir siehst du den unbewohnten Planeten Carolium. Wobei «unbewohnt» vielleicht nicht der passende Begriff ist. Denn neueste Forschungen haben ergeben, dass sich auf dem Planeten unter dir eine primitive Spezies niedergelassen hat. Ob man die Bewohner überhaupt als Spezies bezeichnen kann, ist fraglich, denn ihre mangelnden technologischen Fortschritte lassen an ihrer Intelligenz zweifeln. Unsere Mission ist es, diesen Bewohnern zu helfen. Ich erinnere dich daran, dass unsere kulturelle Überlegenheit uns erlaubt, diese Primitiven zu erziehen. Hast du mich verstanden?». Ich verstand sofort. Ihre Frage war kaum als Frage gemeint. Durch die Kommunikationsfrequenz murmelte ich das, was meine Schwester hören wollte. Sie unterbrach die Verbindung und plötzlich war ich auf mich allein gestellt.
Nervös lenkte ich meinen Blick auf den Planeten, den wir zusteuerten. Wir schwebten schon gefährlich nahe über der Oberfläche und ich glaubte ein Glitzern zu erkennen. Durch eine Vergrösserungslinse konnte ich deutlich Kreaturen vernehmen. Die Bewohner von Carolium schienen aus lebenden Kristallen zu bestehen und ihre Körper strahlten in geometrischen Mustern und reflektierten das Licht auf beeindruckende Weise. Sie schienen dem unbekannten Flugobjekt zuzuwinken, als hätten sie noch nie etwas derartiges gesehen. Wir schwebten langsam über ihre Köpfe und ich hoffte insgeheim, das keiner der Soldaten die Bewohner dieses Planeten entdeckt hatte. Wenn eine Seele allein wüsste, dass mein Befehl nicht auf einen unbewohnten Planeten gerichtet war, hätten meine Soldaten vermutlich kaum ohne ein Zögern gehorcht. «Alle Einheiten zum Harmonie-Disruptor und auf mein Kommando warten.» Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, während ich der Kuppel meinen Rücken zuwendete. Ich konnte nicht mitansehen, wie die Seelen, die lebenden Kristallen ähnelten, ausgelöscht wurden. Stattdessen kullerte etwas feuchtes aus einem meiner ovalen Augen. Plötzlich wurde alles stumm und erst jetzt realisierte ich, was ich getan hatte.