Ein kalter Windhauch schneidet durch die schwüle Sommerluft und ich löse meinen Blick von den meterhohen Bücherregalen und schaue mich um. Alles von der Geschichte des Planeten Ehrba und den technischen Entwicklungen der Letzten 150 Jahre bis zu den Verhaltenswiesen der Zinui ist hier im Detail zu finden. Gleichzeitig ist die Aula hell und einladend. Eine Welle, wie als würde die sicher stationierte Aula sich langsam aus ihren Ankern lösen, bewegt sich unter dem steinernen Marmorboden bis zu dem riesigen Portrait des Königlichen Paares. Das Bild kippt leicht zur Seite und ein kollektives Raunen geht durch die Masse der Zinui, die sich dort versammelt hatten. Plötzlich taucht ein Hologramm mitten im Raum auf und den Gesichtern der Zinui nach zu urteilen, kam es unerwartet. Sie rücken vor Überaschen zurück und der König und die Königin von Ehrba treten ins Bild. Auch durch das verwackelte Hologramm kann man deutlich ihre Merkmale erkennen, die sie von uns unterscheiden: ihre helle Haut, die hellblau schimmert, ihre längeren Arme und Beine, ihre etwas größeren Augen, die ab und zu von Himmelblau zu Pastell Grün wechseln und von gold- gelben Sprenkeln durchzogen sind sowie ihre gutmütig wirkenden Gesichtszüge. Jetzt wirken sie allerdings resigniert. Die deutliche Stimme der Königin hallt in der Aula als sie spricht: „Zinui! Lasst euch von eurem Herzen leiten, vertraut auf eure Intuition! Ihr werdet den rechten Weg finden, habet keine Angst. Zweifelt nicht an den Schöpfer! Wir werden uns wiedersehen.“ Nun klingt die tiefe Stimme des Königs neben ihr in der Aula: „Begebt euch jetzt zu den Schiffen“. Das Hologramm verschwindet und ich starre wieder auf die leere, glatte mit Gold verzierte Marmorwand. Kälte kriecht langsam an mir hoch, als ich verstehe, was hier vor sich geht. Ich blicke in Tarans schockiertes Gesicht. „Sie sagten, alles würde gut werden. Wir haben ihnen unserer Hilfe angeboten, warum haben Sie sie nicht angenommen?“, frage ich bestürzt. Während die Zinui um uns herum aus dem Saal rennen, schaue ich aus den hohen Fenstern nach draußen. Mein Blick begegnet dem von Taran. „Sie wollten sie nicht. Vielleicht dachten sie, wir könnten ihnen nicht helfen, vielleicht…“ Taran hält inne und ich sehe die Ungewissheit in seinen Augen. Er deutet auf den Ausgang. „Wir müssen hier weg.“ „Nein!“, entgegne ich ungehalten. „Es muss etwas geben, dass wir tun können. Wir können nicht einfach gehen!“ „Audra“ seine Stimme klingt gequält, „wir haben es geschworen, wir müssen gehen!“, sagt Taran. „Bedeuten sie dir etwa so wenig, dass du einfach bereit bist aufzugeben? Taran, das ist unsere erste Mission, wir können nicht scheitern!“ „Du weißt, dass der Rat nicht wütend auf uns sein wird, wir haben getan, was sie uns aufgetragen haben. Wir haben nicht versagt.“ Tränen brennen in meinen Augen, meine Brust ist wie zugeschnürt und Entsetzen und Hoffnungslosigkeit machen sich in mir breit. Wenn wir doch nur noch mehr Zeit hätten! Noch einmal zieht er behutsam an meiner Hand und deutet auf den Ausgang. Ich lasse mich mitziehen, aber das Gefühl, dass etwas nicht mit rechten Dingen vor sich geht, bleibt. Gemeinsam rennen wir nach draußen auf den Platz der genau in der Mitte der Stadt liegt. Hier schlagen uns die durcheinander geratenen Energien entgegen wie eine Welle, hart und kalt. Ich schnappe nach Luft und stolpere nach hinten. Tarans Hand umklammert meine und er zieht mich wieder auf die Beine. Wir hatten getan, was wir konnten und hatten geschworen, uns nicht weiter einzumischen, sollten sie unsere Hilfe ablehnen. Was sollten wir jetzt tun? Warum musste es so geschehen? „Wir müssen unsere Fähigkeiten nutzen, auch wenn es ihnen Angst machen wird, es geht nicht anders“, sage ich, während sich alles in meinem Körper verkrampft. Taran nickt zustimmend. Ich lasse seine Hand los und strecke sie stattdessen vor mir aus. Mit meinen Händen forme ich eine Kugel aus dunkelblau- silbrigem pulsierenden Licht. Vor unseren Augen wächst sie zu ihrer vollen Größe an und wir treten in das Innere ein. Ich beobachte das Geschehen um mich herum, die entsetzten und angstverzerrten Gesichter der Zinui sind zu schmerzhaft mit anzusehen und ich drehe mich weg. Ich spüre ihre Emotionen um mich herum jetzt deutlich. Die Lichtkugel hebt in die Luft ab und das letzte, was ich sehe, sind die Zinui, die auf den Hafen und die Stege strömen und sich in die Raumschiffe zwingen. Als wir bereits weit über dem Planeten in der Galaxie sind, schaue ich zurück und schlucke alle verbitterten Worte, die mir bereits auf der Zunge liegen, herunter. Wir können ihnen nicht mehr helfe, niemand kann das.
Der Planet sollte normalerweise bereits Anzeichen eines Untergangs zeigen, wie eine Veränderung der Erdoberfläche. Außerdem sollten wir bereits auf den Bildschirmen in der Kugel Anzeichen auf eine Veränderung in der Atmosphäre sehen, doch nichts dergleichen passiert. Stattdessen zeigt der Bildschirm in der Lichtkugel den Planeten Ehrba, völlig in Takt wie noch vor einigen Tagen. „Das kann nicht sein, es ist völlig unmöglich.“ Murmelt Taran leise, während sein Blick auf den Bildschirm fokussiert ist. „Alles sieht normal aus, Wassertemperatur, die Atmosphäre, alle Bauten sehen stabil aus, alle Werte sind normal“, sage ich verblüfft. Unsere Blicke treffen sich und in diesem Moment denken wir beide das gleiche: Jemand hat sie gerettet, jemand hat verhindert, dass dieser Planet und die Zivilisation der Zinui untergeht. Waren es etwa die Vorstehenden unseres Volkes gewesen? Hatten sie einen Weg gefunden, die Zinui trotz der Entfernung zu retten? Das war unmöglich, nicht einmal sie hatten solch einen Einfluss und Macht über die Galaxie. Es gab nur eine Möglichkeit, jemand hatte die Prophezeiung ignoriert, jemand war vollkommen ignorant und ohne Überlegung der gravierenden Konsequenzen vorgegangen und hatte trotz sämtlichen Erzählungen, die Beweis genug waren, die Zinui gerettet und somit alles in der Zukunft in Frage gestellt und das Schicksal sämtlicher Lebewesen verändert.