Wenn man vom unbekannten Exoplaneten 34 einen Blick ins weite All wagte, konnte man am 24.09.1988 (oder war es ein anderer Tag?) ein Raumschiff erkennen. Es sah aus wie ein echtes Schiff. Ohne Segel und mit breiten Seitenflügeln zwar, aber mit der ungefähren Form eines Schiffes. In diesem Schiff befanden sich 16 Passagiere, 15 von ihnen mit unbekanntem Ziel, eine ganz ohne Ziel. 4 von ihnen haben eine interessante Lebensgeschichte, die aber weit mehr als 6000 Zeichen benötigen würde, wollte man sie erzählen. Von 8 von ihnen konnte man sagen, dass sie sowohl interessante Persönlichkeiten als auch Hobbys hatten und 3 andere waren reich und schön. Die, die wir nun immer ausgelassen hatten, war so mysteriös, dass ich den Rest der 6000 Zeichen verwenden werde, um von ihr zu erzählen.
In ihrer Phantasie hatte Qri schon vielen Menschen diese Frage beantwortet. Ja, Qri war ihr echter Name, blau war ihre natürliche Haarfarbe, und die Flügel, die sich nur selten zeigten, waren wirklich zum Fliegen da. Aber niemand hatte sie je danach gefragt, deshalb vermutete Qri, daß sie ihre Aufgabe gut erfüllte - unauffällig zu bleiben. Sie wurde hierhergeschickt, weil sie angeblich die Beste ihres Fachs war. Ohne etwas zu sagen hatte Qri den Auftrag angenommen, wie sie es immer tat. Sie sagte nur etwas, wenn es nötig war, und das war es nie.
Momentan saß Qri an der Bar des RaumSCHIFFES und rührte mit dem gläsernem Strohhalm in ihrem Drink. Was das für ein Drink war, war ihr nicht wichtig, sie würde ihn eh nicht trinken. Aber ohne irgendwas an so einer feinen altmodischen Bar zu sitzen wäre auffällig. Das Schiff war wirklich schön. Man konnte fast vergessen, dass man sich in einem modernem Zeitalter befand, wenn man sich im Inneren des RaumSCHIFFES befand, das eingerichtet war wie vor 100 Jahren. Dunkles Holz, Goldverzierungen, Vitrinen mit Gestein von Mond und Mars, Gläser mit eingefangenen Sonnenstrahlen und schwere rote Samtvorhänge.
Weiter hinten gab es eine Lounge, in der sich die reichen Gäste des Schiffes tummelten und mit falschem Lächeln, falschem Interesse und ganz viel Falschgeld Unterhaltungen führten.
An der Bar befand sich momentan niemand außer Qri und dem Barkeeper, der irgendwo mit Glasflaschen herumklimperte.
„An ihrer Stelle würde ich das nicht trinken.“ Qri sollte sich wohl entsetzt umdrehen und etwas sagen wie „Oh, sie haben mich erschreckt. Haha“. Natürlich tat sie das nicht. Das tat sie nie. Stattdessen überlegte sie. Die Stimme war weiblich, etwa 35 Jahre alt. Wahrscheinlich eine der 4 Personen mit interessanter Lebensgeschichte. Wenn sie ein Gespräch mit ihr anfing, konnte das ihr vielleicht auf ihrer Mission weiterhelfen. Gut.
„Warum? Vergiftet? Ruft Halluzinationen hervor? Dann habe ich wahrscheinlich schon davon getrunken und Sie müssen eine Halluzination sein, denn kein realer Mensch würde jemanden von hinten auf sein Getränk ansprechen.“ Naja. Vielleicht mußte Qri ihre Kommunikationsfähigkeiten noch mal üben. So ein Satz hörte sich schon extrem seltsam an. Aber die Frau lachte nur und setzte sich auf den Barhocker neben Qri. Sie war in ein schwarzes Abendkleid gekleidet wie Qri, aber sie trug Goldschmuck, den Qri wegen ihrer blauen Haare nicht tragen konnte. Ihre Augen waren sehr dunkel geschminkt, aber die Pupillen waren gold. Äußerst ungewöhnlich. Genauso wie ihre glänzend bronzefarbenen Haare, die sie mit tausend goldenen Nadeln hochgesteckt hatte.
„Ja, es ist tatsächlich vergiftet. Ich kenne den Barkeeper nur zu gut, er findet so etwas witzig. Also würde ich es unauffällig in den Blumenkübel kippen.“ Eine unerwartete Antwort, aber gut. Blumenkübel standen hier ja genug. Die Pflanzen säuberten die Luft im RaumSCHIFF, das im luftleeren Raum herumflog.
Qri kehrte zur Bar zurück, wo die Dame immer noch wartete mit einem Schmunzeln im Gesicht.
„Darf ich Sie nach ihrem Namen fragen?“, fragte Qri sie.
„Natürlich. Mein Name ist Tiara. Und der Nachname würde sie wohl kaum interessieren, warum auch. Nach diesem Trip sehen wir uns eh nie wieder.“ Das war eine Antwort, wie Qri sie wohl auch gegeben hätte - Mysteriös.
„Ich bin Qri. Das dürfte wohl auch genügen. Aber was meinten sie damit, als sie 'nach diesem Trip' sagten? Sie erwarten also, dass wir je ein Ziel erreichen? Oder dass diese Reise ein Ende haben wird?“ „Ja“, sagte Tiara, mit einem seltsam traurigem Ausdruck im Gesicht. „Ich glaube nicht an Unendlichkeit. Ich genieße die Reise so lange sie anhält. Ich war schon an so vielen Orten in der Welt. Aber glauben sie mir, wenn man so viel reist wie ich, kann man nicht mehr den Unterschied zwischen den Niagarafällen und dem Bermuda-Dreieck erkennen. Hey, Barkeeper! Bitte zwei Supernovas, aber ohne Gift!“ Mit einem vernichtendem Blick schaute der Barkeeper Tiara an, brachte aber sofort die Drinks.
„Tiara, Sie müssen wissen, dass ich auf einer Mission bin.“ Qri wusste nicht warum sie das sagte. „Ich kann ihnen keine Details sagen, aber ich kann ihnen sagen, dass ich es eigentlich nicht will. Und ich kann Ihnen sagen, dass meine Haare natürlich blau sind und dass ich Flügel habe, wie ein Vogel. Und dass die gesamte Situation gerade ziemlich unreal ist. Ich weiß nicht, wo ich hin will. Wissen Sie das?“ Obwohl alles, was Qri eben gesagt hatte, keinen Sinn machte, antwortete ihr Tiara:
„Nein. Aber sie sollten einfach ihre Supernova trinken und sich nicht so viele Gedanken machen. Um 9 ist Disco in der Lounge. Kommen sie einfach, ich könnte ihnen ein paar nette Passagiere vorstellen. Qri, Sie wissen nicht was ich weiß. Über Sie, über ihre Mission, und darüber, daß Sie sie zu ihrem eigenem Besten aufgeben sollten.“ Und mit diesen Worten verabschiedete sich Tiara. Sie sagte dem Barkeeper noch, die Drinks gingen auf sie und ließ Qri allein. In ihrer Supernova schwammen Myriaden glitzernder Teilchen herum. Noch 20 Minuten bis 9. Bis sie zum ersten Mal mit den Anderen redete.
Wenn man vom unbekannten Exoplaneten 34 einen Blick ins weite All wagte konnte man am 24.09.1988 (es war definitiv ein anderer Tag) ein Raumschiff erkennen. In diesem Schiff befanden sich 16 Passagiere, 15 von ihnen mit unbekanntem Ziel, und eine, die gerade eine schwerwiegende Entscheidung getroffen hatte.