Entdeckung im All

Wettbewerbsbeitrag von Dinah Ehnts, 18 Jahre

„AUSSERIRDISCHE!“ brüllt unsere Kommandantin und sofort lassen wir alle unsere Arbeit liegen - oder besser gesagt schweben - und drängen uns mit ihr um unser nagelneues Bordteleskop.
„Seht euch das an“, murmelt sie. „Außerirdische in ihrem Raumschiff!“
Es entsteht ein unglaubliches Gedränge und Geschubse, jede will die unglaubliche Entdeckung zuerst sehen. Mir ist vor Aufregung ganz schwindelig. Außerirdische!  Wie sehen sie aus? Haben sie eine glitzernde, schleimige Haut? Haben sie Tentakel auf dem Körper, die sie zur Kommunikation wie Antennen benutzen? Kann ihr Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit fliegen? Als die anderen endlich zurücktreten und flüsternd die Köpfe zusammenstecken, ziehe ich das Teleskop ungeduldig zu mir. Es ist wirklich ein geniales Instrument, der Blick dadurch messerscharf. Man er kennt jedes Detail, selbst auf diese Entfernung.
Das Raumschiff der Außerirdischen ist nicht besonders groß. Es besteht aus mehreren Modulen, die miteinander verbunden sind. Energie scheint es ausschließlich aus Solarzellen zu beziehen, die an beiden Seiten wie übergroße, metallisch schimmernde Flügel angebracht sind. Ich beobachte es eine Weile und erkenne, dass es sich langsam durch den schwarzen Weltraum bewegt.
„Bewegt es sich auf uns zu oder von uns weg?“ frage ich, ohne den Blick davon zu wenden.
„Weder noch“, antwortet die Kommandantin. „Ich bekomme gerade die Ergebnisse der ersten Analysen auf den Computer. Es kreist wohl in einer Bahn um einen Planten, der etwa 400 Kilometer darunter liegt.“
„Dann ist das gar kein Raumschiff. Das ist eine Raumstation!“
Ich selbst habe all meine gesammelte Erfahrung als Kosmonautin auf einer unserer Raumstationen gemacht. Dies ist mein erster Flug in einem Raumschiff durchs All und dann darf ich gleich so eine Entdeckung miterleben!
„Was ist das für ein Planet?“ fragt meine Kollegin.
Ich zoome ein Stück heraus und lenke den Blickwinkel des Teleskops auf besagten Planeten. Er ist von einer dichten Wolkenschicht verhüllt, die an vielen Stellen licht genug ist, um bis auf grüne und blaue Flächen blicken zu können.
„Er hat eine Atmosphäre!“ sage ich aufgeregt. „Und Wasser und sogar Vegetation!“
Der Planet ist wunderschön. Mit seinen Wolkenwirbeln und den lebendigen Farben sieht er unserem Heimatplaneten fast zum Verwechseln ähnlich. Aber das Leben darauf wird ganz anders sein.
„Wie weit sind die entfernt?“ fragt eine andere Kollegin.
„Ein paar Lichtjahre“, liest jemand vom Computer ab.
Ich lenke das Teleskop wieder auf die Raumstation. Leider ist sie ziemlich blickdicht, sodass man von den Außerirdischen nichts sehen kann. Sind sie überhaupt da?
Was, wenn die Station gar nicht besetzt ist? Vielleicht befinden sich darauf nur Systeme, die Informationen über den Weltraum sammeln und sie zur Auswertung direkt zu dem Planeten schicken? Aber ich habe den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als mein Blick an einer Kuppel hängen bleibt, in die sieben Fenster eingelassen sind. Und vor einem dieser Fenster steht ein außerirdisches Wesen.
„Da ist eins!“ kreische ich, noch bevor ich ranzoomen kann.
Wieder Gedränge, wieder Geschubse, aber die Kommandantin kann sich schließlich durchsetzen. Widerwillig machen wir ihr Platz und beobachten gebannt, wie sie einige Sekunden völlig regungslos steht und den Außerirdischen durch das Teleskop betrachtet. Dann bricht sie in schallendes Gelächter aus.
„Es sieht total komisch aus! Es hat vier Gliedmaße, die nicht mal alle gleich aussehen!“ Sie lehnt sich zurück. „Verzeiht mir. Man macht sich nicht über andere Allbewohner lustig. Wir haben alle unsere Berechtigung.“
Immer noch grinsend tritt sie zurück und sofort drängen wir uns um das Teleskop.
Und jede, die den Außerirdischen mit eigenen Augen gesehen hat, beginnt zu lachen. Als ich endlich an der Reihe bin, muss ich schmunzeln, kaum habe ich den ersten Blick auf das fremde Wesen geworfen. Es hat eine bleiche Haut, die an einer Stelle mit dunklen Haaren bewachsen ist. Von den vier Tentakel ähneln sich jeweils zwei in ihrer Form und Bewegung. Ich zoome noch näher an das Glas. Das Wesen hat zwei Augen und einen Mund, wie wir, aber dazwischen ein seltsames, kleines
Gebilde im Gesicht. Es bewegt sich langsam und schwerfällig. Trotzdem bin ich völlig fasziniert. So etwas habe ich noch nie gesehen.
„Können die trotzdem gefährlich für uns werden?“ fragt jemand.
Die Kommandantin schüttelt den Kopf. „Wohl kaum. Ich weiß nicht, ob wir das nach unserer Definition überhaupt intelligentes Leben nennen können. Ihre Technologie ist ja nicht mit unserer vergleichbar. Seht euch nur mal die Daten von ihrer Raumstation an.“
Ich reiße meinen Blick von dem bizarren Anblick los und sehe mir die Analyse des Computers an. Die Station hat eine Spannweite von nur 109 Metern. Warum haben
sie die so klein gebaut?
„Diese Raumstation ist ein einziges Risiko“, erklärt meine Kollegin. „Alle rot markierten Daten sind gefährdete Punkte, die nicht ausreichend gesichert sind. Und wenn ich mir das Muster ansehe, dann weil sie es einfach nicht besser können. Diese Raum station markiert die Grenze ihres Wissens oder? Warum hätten sie sie sonst so gebaut?“
Unsere Kommandantin nickt. „In der Tat. Ihr Wissen über diese Technik und den Weltraum selbst scheint sehr beschränkt.“
„Könnten wir trotzdem Kontakt mit ihnen aufnehmen?“ frage ich.
„Möglich. Aber wäre es sinnvoll? Natürlich könnten sie eine Menge von uns lernen.
Aber könnten wir auch etwas von ihnen lernen, das wir noch nicht wissen? Wohl kaum.“
„Dann lohnt es sich nicht“, murmelt meine Kollegin enttäuscht. „Wann finden wir endlich Außerirdische mit unserer Intelligenz?“
„Nicht verzweifeln, das All ist groß. Sehr groß“, lächele ich. „Und ich finde, von allen Spezis, die wir bisher entdeckt haben, sehen die hier mit am interessantesten aus.“
„Dann lassen wir sie besser in Ruhe und suchen weiter“, bestimmt die Kommandantin. „Auf gehts!“
Sie schüttelt sich und ein wenig glitzernder Schleim löst sich von ihr und wabert durch den schwerelosen Raum. Ich strecke meine müden Tentakel aus und schlecke mit meiner Zunge einmal über mein Gesicht. Ich glaube, mein Körper trocknet all mählich aus. Dadurch klebt er zwar besser am Boden, aber es ist ein unangenehmes Gefühl. Ich muss dringend in meinen Wassertank und endlich mal wieder länger als nur drei Jahre schlafen. Das macht einen sonst auf Dauer krank.
Ich atme tief durch meine Kiemen ein. Dann glitschen wir zurück auf unsere Positionen und nehmen unsere Arbeit wieder auf, aber ich denke noch eine ganze Weile an  die fremden Wesen. Wenn sie eine gewisse Intelligenz haben, dann denken sie doch  sicher auch über außerirdische Lebensformen nach, genau wie wir. Nur… Wie stellen sie sich deren Aussehen vor, wo doch ihr eigenes bereits genau der typischen Vorstellung von Außerirdischen entspricht?

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Dinah Ehnts, 18 Jahre