Ich trat aus der Tür des Raumschiffs. Ein ferner Blitz erhellte die graue Oberfläche des Zortum. Ich drehte mich um und blickte in das entschlossene Gesicht meines Freundes, der mir aus der Tür gefolgt war.
"Wir schaffen das.", sagte ich und hoffte, dass es stimmen würde.
"Wenn einer das schafft, dann wir.", bestätigte er und lies meine Hoffnung für einen kurzen Moment größer werden.
Cooper schaffte es immer, mir in den Momenten Mut zu machen, in denen ich ihn am meisten brauchte.
Wir stürmten los, hinein in die Dunkelheit. Eine Art Weg voller Krater, führte uns durch die schwarze, felsige Gegend. Trotz der beißenden Kälte wurde mir schnell heiß, mein Atem ging immer schneller und wir schossen mit unglaublichem Tempo über den Boden. Verschwommene Mondlandschaften zischten an uns vorbei.
"Wow.", hörte ich Cooper hinter mir flüstern, als wir langsamer wurden und man die verschiedenen Felsformationen immer besser erkennen konnte.
Er trat neben mich. Ein tiefer, länglicher Abdruck zeichnete sich auf dem dunklen Boden vor uns ab.
"Hier muss die Gravity 2 gelandet sein.", sagte Cooper.
Er ging auf die Stelle zu und strich mit seinen behandschuhten Händen über die scharfen Kanten des Males, welches das Raumschiff hinterlassen hatte.
"Keine sanfte Landung.", bemerkte ich und kniete mich neben ihn.
Wir waren hier, um die vor einer Woche verschwundenen Astronauten Margaret Harwis und Louis Porpington zu finden. Sie waren mit der Gravity 2 lange unterwegs gewesen und alles hatte funktioniert, doch nach einem Einschlag eines Meteors war das Signal zur Besatzung abgebrochen und somit die Verbindung zur Erde vernichtet.
Doch eines war klar: Sie mussten hier irgendwo sein, ob tot oder lebendig.
"Florence, schau mal!", riss mich Cooper aus meinen Gedanken. "Sie haben das Zeichen hinterlassen!"
Er deutete auf einen helleren Fleck auf dem Boden, in den ein nur schwer erkennbares Symbol eingeritzt war. Auch wenn man es nicht so gut sah, wussten wir beide, dass es das Logo des CST, des Center for Space Travel, war, von dem sowohl wir als auch die beiden Astronauten stammten. Sie waren also wirklich hier angekommen.
Ich schaute Cooper an. Seine warmen, braunen Augen blickten vertraut in meine. Er schien auf eine Anweisung zu warten.
"Wir teilen uns auf.", schlug ich ihm vor. "Du gehst da lang und ich da."
Ich zeigte in zwei verschiedene Richtungen.
Er zögerte. "Sicher?“
Ein Ausdruck, der gar nicht zu ihm passte, stahl sich in sein kantiges Gesicht.
"Wir sind doch über die Kommunikationsgeräte verbunden.", sagte ich locker, obwohl auch mir nicht ganz wohl bei dem Gedanken war, sich zu trennen.
Aber so würde es schneller gehen und wir könnten die Mission früher beenden. Keine Ahnung warum, aber dieser Auftrag gab mir ein seltsames Gefühl, das sich mit jeder weiteren Minute, die wir hier verbrachten, zu verstärken schien.
Cooper nickte mir langsam und bedächtig zu. "Dann also bis später, Flo."
Meine Knie wurden weich, denn plötzlich kam mir der Gedanke, dass das die letzten Worte sein könnten, die ich von ihm hörte. Aber nein. Unsere Anzüge waren sicher, wir waren durch die Geräte verbunden und konnten jederzeit zum Raumschiff zurückkehren.
"Ja, bis später." Ich drehte mich in die Leere und nahm einen tiefen Atemzug. Die kühle, durch den Anzug gefilterte Luft, stieg mir in die Lunge und versorgte meinen Körper mit Energie. Ich lief los. Der Boden, über den ich rannte, wurde immer dunkler und die Felsen am Rand immer größer. Ich guckte mich durchgehend um, beobachtete alles, was ich sah, genauestens. Doch so sehr ich auch auf meine Umgebung achtete, es war einfach nichts Besonderes zu finden. Nirgendwo auch nur der leiseste Hauch einer Ahnung, dass die Astronauten den selben Weg genommen hatten wie ich.
Trotzdem hielt ich nach einer Weile an. Meine Konzentration ließ nach und meine Ausdauer hatte schon vor einiger Zeit aufgegeben. Vor mir lag nun eine etwas andere Landschaft. Kniehohe Dinger, mal rund, mal spitz, erhoben sich überall um mich herum aus dem Boden. Als ich langsam weiterging, um die Teile genauer zu beobachten, spürte ich ein Zittern unter mir.
Kleine Risse durchliefen die Oberfläche des Zortum und breiteten sich mit jeder Sekunde weiter aus. Ich musste hier weg.
Verzweifelt versuchte ich mir einen Weg zurück zu bahnen, doch die Teile, die immer mehr zu werden schienen, versperrten mir den Weg. Vor Panik prallte ich gegen eines. Scheiße. Ein dumpfer Schmerz breitete sich in meinem Bein aus und die Risse wurden immer größer. Ich sprang hin und her, musste immer weiter und schneller springen. Krack. Ein riesiger Spalt direkt vor mir entstand. Ich rutschte ab und fiel hinein.
Ich fiel länger, als ich es mir hätte vorstellen können. Der Planet musste viel größer sein, als alle Wissenschaftler gedacht hatten. Wie konnte das sein? Ich fiel noch immer, sah nichts, hörte nichts, spürte nichts außer die Kälte, die schon die ganze Zeit da gewesen war. Aber doch. Da war etwas. Ein modriger Geruch stieg mir in die Nase und bevor ich darüber nachdenken konnte, prallte ich mit vollem Karacho auf etwas Matschiges. Au. Obwohl es mir meine Gelenke zerschmettert haben musste, war ich trotzdem froh, über die einigermaßen weiche Oberfläche. Auch wenn ich es mir nicht erklären konnte - ich lebte noch.
Langsam versuchte ich aufstehen, doch die Schmerzen im meinem ganzen Körper ließen es nicht zu. Mein linkes Knie pochte, meine Arme standen schief von meinem Körper, mein Rücken machte ein knackendes Geräusch, dass nichts Gutes zu heißen schien. Ich wankte und kippte zurück in den Schleim. In der Finsternis konnte ich die klebrige Masse, in der ich saß, schimmern sehen. Ich schloss meine Augen und versuchte, nicht ohnmächtig zu werden.
Mein Bewusstsein lies immer weiter nach und ich hörte dumpfe Stimmen in meinem Kopf. Weit entfernte Erinnerungen, die mich zu sich holen wollten. Dann ein Stöhnen, das zu nichts davon passte.
"Cooper?", hauchte ich fragend.
"Flo!", kam es krächzend zurück.
Dann nahm ich eine Bewegung war. Cooper schien es etwas besser ergangen zu sein als mir. Er kroch auf mich zu.
"Du lebst."
Er zog meinen kaputten Körper aus dem Schleim und umarmte ihn. Voller Angst schaute ich ihn an. "Wo sind wir hier?", brachte ich leise heraus. "Davon hat niemand was gewusst, oder?"
Er wollte antworten, doch etwas hinter mir hielt ihn davon ab. Ich drehte meinen Kopf ein Stück weit, das mein verrenkter Hals aushalten konnte.
Das Blut in meinen Adern gefror. Ich wusste, dass dies die letzten Gedanken sein würden, die ich dachte.
So waren sie gestorben. So würden wir sterben. Niemand durfte jemals wieder diesen Planeten betreten.