Zwischen den Sternen

Wettbewerbsbeitrag von Jahel Gähler, 14 Jahre

«Da! Hast du das gesehen?», ruft Ed, in der Gestalt des kleine Menschenjungens, und drückt seine Nase noch fester gegen die kalte Scheibe. «Eine Sternschnuppe», stelle ich stimmlos fest und wende mich kopfschüttelnd dem Piloten -Bo- zu. Der übrigens ein Mensch ist. Wie gefühlt alle hier. Seufz. «Wie lange noch?», erkundige ich mich bei ihm. Der Pilot wirft Ed einen verärgerten Blick zu, da er seine blank polierte Scheibe besudelt, bevor er die Güte besitzt, sich meiner Wenigkeit anzunehmen. Er kontrolliert geschäftig seine Uhr. «Zwei Stunden, Grosse», teilt er mir mit. Ich unterdrücke ein Knurren. Grosse! Diesen verächtlichen Tonfall kann er sich hinschieben, wo niemals Sterne zu sehen sind! «Wenn du willst, mache ich eine Stunde draus», fügt Bo gönnerhaft an, zwinkert mir zu und beschleunigt. Die Triebwerke heulen auf, nun schiessen die Sterne am Fenster als helle Schlieren vorbei. Ed macht ein langes Gesicht. «Jetzt sehe ich gar keine mehr.» Ich strafe ihn mit einem eisigen Blick, jedoch zuckt er nur gleichmütig mit den Schultern, wendet sich zum Gehen. «Ich bin beim Heck.» Ich schürze die Lippen. «Ich bin in zehn Minuten so weit», antworte ich. Ed nickt und verschwindet. Bo wirft mir einen befremdeten Blick zu. «Sag mal, Alien, was willst du mit dem Jungen? Du hast doch nicht vor, ihn auf deinen Planeten mitzunehmen? Und deinen Kumpanen vorzuführen?» Rasch schüttle ich den Kopf, meine Haare peitschen durch die Luft. «Nein, ich habe ihm versprochen, die Sternenkonstellationen zu erklären.» «Aha?» Bo räuspert sich. «Freust du dich, wieder nach Hause zu kommen?» Ich funkle ihn an. Das ist eine Frage, die er selbst beantworten kann. «Würdest du dich freuen, wenn du nach Monaten der Abwesenheit, in der an dir herumexperimentiert wurde, weit weg von deinem Heimatplaneten, in Sicherheit gebracht werden würdest? Dort wo du keine Absonderlichkeit bist? Wo dir keiner mit diesen spitzen Dingern in den Arm sticht?» «Nadeln», hilft mir der Pilot weiter. «Nadeln heissen die spitzen Dinger.» Ich schnaube nur zornig. «Es tut mir leid, dass die Forscher dir das angetan haben. Aber so wird es immer wieder kommen. Es ist ein Wunder, dass sie dich haben gehen lassen, sei froh darüber.» Ja, wenn Ed es nicht eingerichtet hätte, säße ich heute noch in diesem Labor! Bo blickt mich aufrichtig an und fast bedaure ich es, ihn töten zu müssen. Aber nur fast. Menschen. Halten sich für die größten Helden des Universums, die schlausten überhaupt. Blicken abschätzig auf eine andere Spezies hinunter und plötzlich tut sich in ihnen Mitleid auf! Ich wende mich ab und starre in die Weite des Universums. Hier fühle ich mich so klein, so bedeutungslos. Demütig neige ich den Kopf. Ich murmle ehrfürchtige Worte. «Hast du was gesagt, Alien?» «Ich heisse nicht Alien», stelle ich genervt richtig. Bo lacht dröhnend. «Alien ist doch kein Name!», ergötzt er sich an meiner Unwissenheit. «Das ist eine Bezeichnung für ausserirdisches Leben!» Ich hebe eine Braue. Passt zu den Menschen, diese Bezeichnung. Bevor ich mir noch weitere Gedanken machen kann, schrillt ein Alarm los. Rote Lichter beginnen zu blinken, die Beleuchtung dimmt sich auf ein Minimum. Die Geschwindigkeit drosselt sich erheblich. «Bei den Unterhosen meiner Tante! Was ist das?!» «Unterhosen? Tante? Verbindung fehlgeschlagen», lässt der Computer mit seiner metallischen Stimme verlauten. In dieser Hinsicht sind wir uns ziemlich ähnlich. «Ruhe!», brüllt Bo, beugt sich über das Display. Schweißperlen treten auf seine Stirn. Es sieht aus, als ob er sich bemüht, das Display zu hypnotisieren. Augenscheinlich scheinen seine Versuche nicht von Erfolg gekrönt zu sein, denn er schreit frustriert auf. Ein Ruck geht durch das Schiff, einige Augenblicke schlingert es gefährlich, bevor Bo es wieder unter seine Kontrolle bringt. «Probleme, Sir?», frage ich. Ausnahmsweise schwingt nun in meiner Stimme ein geringschätziger Ton mit. «Kann man so sagen», zischt er. «Da hat jemand bei uns angedockt!» Mit Befriedigung sehe ich Wut über seine Gesichtszüge flackern. «Und was gedenken Sie zu tun?» Er schaltet die Maschine auf Autopiloten und herrscht mich an: «Bring den Jungen in Sicherheit, Alien! Ich gehe nachsehen!» Er springt aus seinem Sitz, zaubert eine Pistole hervor. Ich reagiere blitzschnell, packe seinen Arm, drehe ihn auf den Rücken und verpasse ihm einen Tritt in die Magengrube. Keiner meiner Leute soll sterben! Japsend sinkt er auf den Boden. Starrt mich konsterniert an. Hat wohl nicht erwartet, dass ein Mädchen ihn auf den Boden ringen kann! Genugtuung rauscht durch mich hindurch. Unbeirrt entwinde ich die Pistole seinen Fingern und schiesse. Ein Knall hallt durch das Schiff, Blut spritzt. Bei allen Sternen des Universums, warum krachen die Waffen der Menschen so? Das hat bestimmt die ganze Crew spitzgekriegt! Ich haste mit gezückter Pistole aus dem Cockpit, weiter zum Heck. Zum Glück hat die Crew bis vor ein paar Minuten noch geschlummert, sonst wäre mir das hier teuer zu stehen gekommen. So schnell sich Menschen auch halten. Bei geringem Licht ist die Kleidung schwer zu finden, erst recht, wenn Ed sie entwendet hat. Ich grinse und laufe weiter, spurte um eine Ecke und wäre um ein Haar mit ihm zusammengedonnert. Er hat nun nicht mehr die Gestalt eines Menschenjungens, sondern die eines hochgewachsenen… na gut, Aliens. «Ed!», stosse ich hervor. «Hat es geklappt?» «Perfekt», erwidert er. «Unsere Leute sind hier und eliminieren die Crew. Keiner darf wissen, wo unser Planet liegt. Die Menschen würden ihn unter ihre Gewalt bringen und auch damit beginnen, ihn wie ihren Planeten zu zerstören.» Wie recht er hat. Zerstören, das können sie gut. «Nur der Pilot kannte die Daten. Und er hatte keine Chance, sie weiterzugeben», erkläre ich. «Dafür habe ich gesorgt. Und ich habe ihn kalt gemacht.» «Sehr gut», lächelt Ed. «Komm in meine Arme, Schwester. Du hast mir gefehlt.» Ich drücke ihn fest. Sowie er sich von mir löst, glitzern Tränen in seinen Augen. «Es ist Zeit nach Hause zurückzukehren.» Ist es. Und wir werden unser Zuhause vor den Menschen verteidigen, komme was wolle.

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Jahel Gähler