Eine haarige Angelegenheit - Teil 2
Sitz der Seele oder Opfergabe?
Der praktische Nutzen der Haare – also Schutz vor schädlichen Umwelteinflüßen - ist vergleichsweise gering zu der gewaltigen kulturellen Bedeutung, die Haare innehaben. Wenn wir jemanden beschreiben, fangen wir meist mit den Haaren an. Siebzehn Jahr, blondes Haar.... Haare sind eben ein echter Hingucker und bestimmen den ersten Eindruck, den eine Person auf uns macht. Natürlich spielt die Haarfarbe bei der Wahrnehmung einer Person eine nicht zu unterschätzende Rolle und hat natürlich immer was mit den persönlichen Vorlieben zu tun. Aragorn oder Legolas ;-), Marylin Monroe oder Selma Hayek – da scheiden sich die Geister. Natürlich gibt es viele Vorurteile über Haarfarben und ihre TrägerInnen – dunkelhaarige gelten als romantisch und leidenschaftlich, rothaarige Frauen waren vor allem im Mittelalter als Hexen verschrien (auch weil rot als die Haarfarbe des Verräters Judas galt) und dadurch ernsthaft an Leib und Leben gefährdet, heute gelten sie als besonders verführerisch, aber auch sensibel oder von feurigem Temperament. Nach wie vor ist die Haarfarbe blond ausgesprochen beliebt. Dem positiven Image blonder Frauen als besonders attraktiv und verführerisch konnten auch die zahlreichen Blondinenwitze nichts anhaben. Allerdings gibt es in der deutschen Bevölkerung lediglich 8 Prozent echte Blondinen und bei den Männern sind es sogar nur 6 Prozent.
Hauptsache Haare
Haare haben schon immer und in allen Kulturen eine große Rolle gespielt. Sie galten als Sitz der Seele, hatten magische Kräfte, in manchen Kulturen galten sie als Opfergabe, und wurden und werden überall auf der Welt liebevoll geschmückt, gefärbt, gepflegt und gehegt. Das komplizierte Haararrangement einer Geisha, die grotesken Hochfrisuren im Rokoko oder kunstvolle Perücken im alten Ägypten (hochgestellte Frauen in Ägypten trugen ihr Haar meist kurz oder kahl) - Haare sind eben eine kultige Hauptsache. Schon im alten Rom existierte übrigens der Beruf der Haarordnerin.
Bei Männern waren Haare vor allem ein Zeichen von Macht, Männlichkeit und Kraft. So heißt es schon in der Bibel an einer Stelle: "Ich bin von Mutterleib an Gott geweiht, niemals hat man mir die Haare geschnitten. Ohne sie würde ich meine Kraft verlieren und schwach werden wie jeder andere." Krieger im alten Griechenland hatten sich Haarbüschel auf ihre Helme gesteckt, um ihren Feinden Angst und Schrecken einzujagen. Im alten Ägypten galt der Ziegenbart als Symbol der Macht. Ägyptische Pharaoninnen mussten sich daher das Kinn mit einem künstlichen Bart verzieren. Bei Frauen waren und sind Haare Ausdruck von Weiblichkeit und Anmut. Man kennt das ja aus der Werbung, langhaarige Schönheiten, die ihre Haare lasziv nach hinten werfen, sollen Erotik und Lebenslust signalisieren. Die Haarpracht der Frauen war deshalb aber auch schon häufig strengen Reglementierungen unterworfen. So war es zum Beispiel im Mittelalter Brauch, dass verheiratete Frauen ihre Haare in der Öffentlichkeit nicht mehr zeigen durften – sie mussten sie einbinden und unter einer Haube oder einem Schleier verbergen.
Zeig mir deine Haare und ich sag dir, wer du bist
Weil Haare so wichtig für den ersten Eindruck sind, den andere von uns haben (oder auch wir selbst von uns beim Blick in den Spiegel), sind sie entscheidend für unser Selbstwertgefühl, für unsere Ausstrahlung und unser Wohlbefinden. Sie geben anderen Auskunft darüber, wer oder was wir sind, wie es uns geht und welcher gesellschaftlichen Gruppe wir angehören (wollen) oder nicht. So lässt sich sowohl die politische Einstellung als auch die Zugehörigkeit zu einer Religion in der Frisur ausdrücken (etwa die „Haarmode“ der Skinheads, die Langhaarigen in den 60iger Jahren, die Punks und Popper der 80iger, die Tonsur der Mönche, die Dreadlocks der Rastafaris, die Schläfenlocken des Rabbis, der Hare Krishna Zopf, das Kopftuch etc.). Ob unser Haar strähnig und fettig am Kopf klebt, wir glänzende Locken schwungvoll nach hinten werfen, ob wir eine kunstvolle Steckfrisur tragen, eine Glatze oder blaugefärbte Schnittlauchlocken, ob wir unsere Haare unter einer Mütze oder einem Kopftuch verbergen, eine Beinahe-Glatze mit wenig verbliebenen Haaren mühsam überkämmen, ob wir einen pinkfarbenen Irokesen, blonde Dauerwellen oder bodenlange Rastas auf dem Kopf mit uns herumtragen – Haare – auch wenn man sie nicht sieht - sprechen zu der Außenwelt und verraten eine Menge über uns.
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Autorin / Autor: Sabine Melchior - Stand: 5. Februar 2004