Zuhören allein reicht nicht
Neue Studie zum Thema Gesprächsführung, Empathie und Einstellungsänderung
In den aufgewühlten und polarisierenden Zeiten, in denen wir uns befinden, rätseln viele, wie wir wieder mehr zueinander finden und Gespräche führen können, die nicht in Spaltung, Ablehnung und Beziehungabbruch enden. Die Frage, um die es oft geht, ist, ob zum Beispiel ein einfühlsameres einander Zuhören die inhaltlichen Differenzen schmälern kann, und ob wir uns damit von unliebsamen Überzeugungen abbringen lassen könnten.
Kann Zuhören die Meinung ändern?
Seit Jahrzehnten propagiert die Wissenschaft die Idee, dass hochwertiges, nicht wertendes Zuhören die Abwehrhaltung verringern und die Offenheit in schwierigen Gesprächen erhöhen kann, wodurch sich die Wirksamkeit der Überzeugungsarbeit verbessert. Aber kann Zuhören tatsächlich die Meinung ändern? Eine neue israelisch-amerikanische Studie stellt nun die lang gehegte Ansicht über die Bedeutung des Zuhörens in Frage.
Das Forschungsteam führte dazu ein groß angelegtes Feldexperiment mit fast 1.500 Teilnehmer:innen in den USA durch. Die Proband:innen nahmen an zehnminütigen Videogesprächen mit geschulten Wahlwerber:innen teil, die als Gesprächspartner fungierten und über das Thema unerlaubte Einwanderung sprachen - ein höchst umstrittenes und gesellschaftlich relevantes Thema.
Einige der Gespräche enthielten eine überzeugende persönliche Erzählung über einen Einwanderer ohne Papiere, andere Dialoge fanden ohne diese Geschichten statt. Unabhängig davon praktizierten einige Wahlwerber:innen ein hochwertiges, nicht wertendes Zuhören, während andere dies nicht taten. Unmittelbar nach dem Gespräch als auch fünf Wochen später maßen die Forschenden die Einstellung der Teilnehmer:innen.
Persönliche Erzählungen sind wirksamer
Die Ergebnisse verblüfften das Team: Es waren allein die überzeugenden Erzählungen, die zu bedeutenden, dauerhaften Veränderungen in der Einstellung gegenüber Einwanderern ohne Papiere geführt hatten.
Qualitativ hochwertiges Zuhören hatte zwar die Wahrnehmung des Sprechers verbessert und die emotionale Abwehrhaltung verringert, aber nicht wirklich zu einer Meinungsänderung geführt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zuhören zwar eine bessere zwischenmenschliche Verbindung fördern kann, aber nicht direkt die Überzeugungskraft verstärkt, wie gemeinhin angenommen wird.
„Dies stellt eine grundlegende Annahme in Frage, wie wir den Dialog über die Grenzen hinweg angehen“, sagte Dr. Roni Porat. „Zuhören hat zwar einen eindeutigen zwischenmenschlichen Wert, aber seine Rolle bei der Veränderung von Meinungen ist möglicherweise begrenzter als bisher angenommen."
Die Studie hat wichtige Auswirkungen für politische Organisationen, Konfliktvermittler:innen und alle, die an der Überbrückung sozialer und ideologischer Gräben arbeiten. Sie deutet darauf hin, dass der Inhalt dessen, was gesagt wird - insbesondere persönliche Erzählungen - für die Überzeugungsarbeit wichtiger sein kann als die Art und Weise, wie es gesagt wird, zumindest wenn es um tief verwurzelte politische Haltungen geht.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 25. April 2025