Hilfe, meine Hand ist aus Stein
Studie: Wie Illusion unsere Körperwahrnehmung verändert
Bist du wirklich die, für die du dich hältst? Besteht dein Körper tatsächlich aus Fleisch und Knochen? Oder sind wir nicht nur das Produkt unserer Sinne, die dem Gehirn diese Tatsache laufend bestätigen? Die Neurowissenschaftlerin Irene Senna vom Exzellenzcluster CITEC der Universität Bielefeld zeigt, was passiert, wenn uns unsere Körperwahrnehmung im Stich lässt. In einem Experiment zeigt die Forscherin, dass Menschen ihre Annahmen darüber ändern können, aus welchem Material ihre Hand besteht.
Für das Experiment baten die NeurowissenschaftlerInnen freiwillige Versuchspersonen, ihre Hände vor sich auf einen Tisch zu legen. Dann klopften sie sanft mit einem kleinen Hammer auf die rechte Hand. Die Versuchspersonen hörten jedoch nicht das natürliche Geräusch davon, wie der Hammer auf die Haut trifft, sondern ihnen wurde über einen Kopfhörer zeitgleich mit jedem Klopfen das Geräusch eines Hammers, der auf Marmor prallt, vorgespielt. Und dann geschah das Merkwürdige: Innerhalb von Minuten gaben die TeilnehmerInnen an, dass sich die rechte Hand steifer, schwerer, härter, unempfindlicher und unnatürlicher anfühle. Daraufhin untersuchten die ForscherInnen, ob sich dieser subjektive Eindruck auch objektiv messen lässt und registrierten mithilfe von Elektroden den Hautwiderstand. Und siehe da: auch der Hautwiderstand veränderte sich in Abhängigkeit der Illusion.
„Unser Gehirn prüft fortwährend Sinneswahrnehmungen über unsere Umwelt und unseren Körper. Wie das Experiment zeigt, geht das soweit, dass das Gehirn auch permanent kontrolliert, aus welchem Material der Körper besteht – auch wenn das unnötig erscheint, denn schließlich ändert sich das Material normalerweise nicht", sagt Irene Senna. Der Grund liegt laut Senna darin, dass das Gehirn parallel Informationen aus verschiedenen Sinnesorganen zusammenführt, um die Eigenschaften seiner Umgebung und seines Körpers einzuschätzen. Werde das Klopfen des Hammers (visueller Reiz) mit dem Geräusch eines auf Stein schlagenden Hammers (akustischer Reiz) kombiniert, passe das Gehirn die Wahrnehmung so an, dass beide Informationen miteinander harmonieren. Beim Menschen entstehe so der Eindruck, die Hand bestünde aus Stein, auch wenn das allen Vorerfahrungen widerspreche. Diese Verschmelzung von Informationen aus unterschiedlichen Sinnesorganen nennt die Wissenschaft „multisensorische Integration".
„Unsere neu entdeckte Körperillusion – die Marmorhand-Illusion - beweist, dass das wahrgenommene Material unseres Körpers durch multisensorische Integration verändert werden kann", erklärt Irene Senna. Eine weitere Erkenntnis sei, dass das Gehirn dem eigenen Körper sogar Klänge von nichtbiologischem Material wie Marmor und Metall zuschreibt. „Diese überraschende Flexibilität unserer Wahrnehmung kann eventuell helfen, zu verstehen, warum Menschen, deren Körperteile durch Prothesen ersetzt wurden, diese trotz ihres künstlichen Materials als Teil ihres Körpers wahrnehmen", sagt Senna.
Die Wahrnehmungsstudie ist Teil der Forschung der Arbeitsgruppe „Kognitive Neurowissenschaften" der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld.
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Autorin / Autor: Redaktion /Pressemitteilung