Auch wenn ich grundsätzlich weiter lese – unabhängig davon, ob mich der erste Satz angesprochen hat, oder nicht -, so unterschätze ich seine Wirkung auf den Leser nicht. Wenn Lektoren sich tagtäglich unzählige Manuskripte durchlesen, dann fangen sie an zu selektieren. Der erste Satz gewinnt schnell an Bedeutung. Wenn sich Juroren eines Schreib-Wettbewerbs durch Berge an Kurzgeschichten kämpfen, so entscheiden sie anhand des ersten Satzes und des ersten Absatzes rasch, wie viel Potential in der eingereichten Arbeit steckt. Folglich landet das Manuskript entweder in der Tonne, oder es kommt eine Runde weiter.

Autoren, die bereits erfolgreiche Romane verfasst haben, raten grundsätzlich davon ab, stundenlang vor dem Bildschirm zu sitzen und am perfekten ersten Satz zu feilen. Stattdessen empfehlen sie dem Schreibenden, sich an die Arbeit zu machen. Greift zu euren Notizen und schreibt einfach los!
So habe ich es auch gemacht. Ich habe angefangen zu schreiben, habe immer weiter geschrieben und meine Geschichte schließlich beendet. Dann habe ich angefangen, die Story zu korrigieren – und dann hatte ich ihn: den passenden ersten Satz für meinen Roman. Es hilft ungemein, die fertige Geschichte noch mal durchzugehen, weil man nicht nur Fehler ausmerzt, sondern sich selbst auf diese Weise einen besseren Überblick verschafft. Umso leichter lässt sich entweder der Hinweis auf das Thema oder auf kommende Schwierigkeiten in den Anfangssatz integrieren.

Wie ihr alle wisst, gefällt der Anfangssatz eines Romans nicht zwangsweise jedem Leser. Selbstverständlich kann es auch sein, dass der Lektor, der die Arbeit prüft, den ersten Satz nicht unbedingt als fesselnd empfindet, während der Autor mit seiner Entscheidung sehr zufrieden ist. Dennoch sollte man sich als Autor stets bemühen, den ersten Satz zu finden - den Satz, der einem wirklich zusagt.