Sexualisierte Gewalt an Frauen
Pressemitteilung der LOBBY FÜR MÄDCHEN zu den Übergriffen gegen Frauen in Köln an Silvester:
In der Neujahrsnacht haben in und am Kölner Hauptbahnhof Männer gemeinsam eine große Anzahl von sexuellen Übergriffen gegen Frauen verübt.
Die exakte Zahl der Taten ist wahrscheinlich noch nicht definitiv bekannt. Die Täter sind es ebenfalls nicht.
Zum Geschehen gibt es viele Berichte, auch widersprüchliche. Was feststeht ist: Eine große Zahl an Frauen sind Opfer sexualisierter Übergriffe von Männern geworden.
Diesen Frauen möchten wir unsere Anteilnahme und unsere Solidarität bekunden!
Die kriminellen Vorfälle sind jetzt ein zentrales Thema in den Medien, in den sozialen Netzwerken, in der öffentlichen Diskussion.
Und werden parteipolitisch, weltanschaulich und geschäftsmäßig benutzt.
Der Hype steigert Einschaltquoten und Verkaufszahlen, das Wort des politischen Gegners wird in einäugiger Blindheit auf die Goldwaage gelegt und in Grund und Boden kritisiert und die Themen Flucht und Migration werden in unzulässiger Weise mit den Vorfällen verknüpft.
Besonnenheit und die Bereitschaft erst einmal die Fakten zu erfassen und analysieren zu lassen, sind nicht leicht zu finden in der aufgeregten Diskussion und der sich überschlagenden und wiederholenden Berichterstattung.
Was dabei untergeht ist das Thema Gewalt, sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen, hier bei uns, alltäglich und in vielen Erscheinungsformen. Und wie sich Gesellschaft und Politik dazu verhalten. Sicherheit und Freiheit von Mädchen und Frauen vor Gewalt und sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum und im privaten Umfeld waren auch vor der Neujahrsnacht nicht gegeben. Deshalb demonstrieren an jedem 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, engagierte Kölnerinnen unter dem Motto „Wir fordern die Nacht zurück!“
Es gibt die bekannten öffentlichen Angsträume wie Bahnhaltestellen, Unterführungen etc.
Es gibt das Cyber-Mobbing mit massiv sexualisierten oder pornografischen Inhalten, in dieser Form besonders ein Mittel zur Herabwürdigung von Mädchen und jungen Frauen.
Es gibt Übergriffe bis hin zu anhaltendem sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung in der Familie, im sozialen Nahfeld und auch durch fremde Täter.
Wie geht unsere Gesellschaft damit um? Führt sie eine anhaltende und von Fakten getragene Diskussion über Ausmaß und Ursachen dieser Gewalt? Über Männlichkeitsbilder und –klischees? Über Rahmenbedingungen, die frauenverachtende Gewalt begünstigen? Über den Mangel an Bereitschaft sich dazu als Gesellschaft selbstkritisch zu hinterfragen? Stellt sie Forderungen nach Verhaltensänderungen bei Männern auf?
Nein, es gibt eine sich teilweise an Absurditäten überbietende Debatte, wenn die Gewalt in so heftiger und massenhafter Gestalt sichtbar wird wie in der Neujahrsnacht, aber eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der alltäglichen Frauenverachtung und Gewalt gegen Mädchen und Frauen gibt es kaum.
Für notwendige anti-sexistische Jungenarbeit fehlen Fachmänner und Mittel ebenso wie es an einer ausreichende Finanzierung reflektierter Präventionsarbeit mit Mädchen und auch mit Jungen mangelt. Mädchen- und Frauenberatungsstellen sind ebenso unterfinanziert wie Frauenhäuser, dabei sind sie erste Anlaufstellen für Gewaltopfer!
Abbau von Gewalt gegen Frauen und Schutz vor Gewalt sind eine Aufgabe, die alle angeht und die nur in gemeinsamer Anstrengung und Arbeit bewältigt werden kann.
Wir brauchen gemeinsam erarbeitete Konzepte, die ganz grundlegend am Thema bleiben.
Wir brauchen politische EntscheiderInnen, die das Engagement und das Fachwissen engagierter Frauen aus feministischen Organisationen aufnehmen.
Wir brauchen RichterInnen, die sich zum Thema Sexualisierte Gewalt fortbilden und sensibilisieren lassen.
Wir brauchen Medien, die sachlich korrekt und ohne Diffamierungen in irgendeine Richtung dem Thema konstant Raum geben.
Wir brauchen Männer und Frauen, die zu frauenfeindlichen, sexistischen und gewaltverniedlichenden Worten und Taten eindeutig, differenziert und unmissverständlich NEIN sagen, jederzeit und überall! „Arsch huh“, auch hier, ist schon lange überfällig!