Dicke Lippe riskieren?
Ob eher schmale oder dickere Lippen schön gefunden werden und wodurch diese Wahrnehmung beeinflusst wird, hat ein Psycholog:innen-Team in einer kleinen Studie untersucht.
Bild. (c) The Royal Society/David Alais/University of Sydney; Gemorphte Bilder mit schmalen oder vollen Lippen im Experiment
Was an Gesichtern schön gefunden wird, ist kein universelles Empfinden, sondern sehr stark von kulturellen und sozialen Einflüssen geprägt. Dabei spielt offenbar auch eine Rolle, was wir vorher zu sehen bekommen und wie oft.
In der Studie legten die Kognitionswissenschaftler:innen Davie Alais und Jessica Taubert von der University of Queensland 32 Student:innen Bilder von Männern und Frauen vor, bei denen die Lippen mal im Originalzustand gelassen, mal digital verdünnt oder verdickt präsentiert wurden. Insgesamt wurden den Teilnehmern 168 Gesichter gezeigt, die sieben Lippengrößen repräsentierten. Die Teilnehmenden bekamen dann 1,25 Sekunden Zeit, um zu bewerten, wie attraktiv sie jedes Bild fanden.
Wenn man die Bewertungen aller Testpersonen zusammenfasst, schnitten männliche Bilder mit dünneren Lippen und weibliche Bilder mit volleren Lippen am besten ab - so weit, so klischeehaft. Allerdings zeigten sich dabei deutliche Unterschiede zwischen den Bewertungen von Männern und Frauen. Vor allem den weiblichen Testpersonen gefielen nämlich Frauen mit dickeren Lippen besser, während Männern weibliche Gesichter bevorzugten, bei denen die Lippen nicht verändert worden waren.
Es zeigte sich außerdem, dass die Bewertungen auch davon abhingen, was zuvor gesehen wurde. Guckten die Teilnehmenden sich Bilder mit künstlich verdickten Lippen an, beeinflusste das auch die Art und Weise, wie sie weitere Bilder beurteilten. Vollere Lippen wurden in der Folge positiver bewertet. Bei den dünnen Lippen war es genau so. Sahen die Testpersonen viele schmale Lippen, fanden sie diese danach auch attraktiver. Die Forschenden bezeichnen das als Adaptationseffekt. Diesen Effekt gibt es in vielen Bereichen - auch in der Kunst oder bei der Wahl der Lebensmittel. Wir passen uns an die dargebotenenen Reize an und empfinden irgendwann als Norm, was uns geboten wird.
Oft gesehen, schön gefunden?
Forscher Alais sieht in den Ergebnissen einen Hinweis darauf, dass der ständige Anblick von Gesichtern mit chirurgisch vergrößterten Lippen zu einer einer „Lippendysmorphie“ führen könnte, also dazu, dass Menschen ihre Lippen als irgendwie "falsch" empfinden, einfach weil gefühlt alle anderen Gesichter riesige Lippen haben. Hierdurch könnte sich das, was als attraktiv gefunden wird, hin zu einer neuen, dickeren Norm verschieben. Dies ist nicht ganz unproblematisch, wie Alias feststellt: „Unsere Forschung unterstreicht die subjektive Natur der Schönheit und den starken Einfluss sozialer und kultureller Faktoren“, sagt Professor Alais. "Da kosmetische Eingriffe immer zugänglicher werden, ist es wichtig zu verstehen, wie diese Eingriffe unsere Wahrnehmung prägen und möglicherweise zu unrealistischen Schönheitsstandards führen können."
In der Studie ging es natürlich nicht so wirklich darum, welche Lippenform jetzt das Rennen macht, sondern eher darum, wie Körper- oder Gesichtsmerkmale wahrgenommen werden und wie und durch was diese Wahrnehmung beeinflusst wird.
Die Ergebnisse werden heute in den Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 11. April 2025