Fanatisch

Autorin: Patricia Schröder

In Patricia Schröders Jugendthriller „Fanatisch“ geht es um Nara, die Opfer einer merkwürdigen Entführung wird.

Nara lebt ein stinknormales Leben, hat eine beste Freundin, einen besten Freund und die selben kleinen Liebesproblemchen wie andere Jugendliche in ihrem Alter auch. Bis der Hund ihres Bruders verschwindet. Bis sie komische, religiöse Nachrichten auf ihr Handy bekommt. Bis sie in einen verlassenen Hinterhof gelockt wird, überwältigt und gefangen genommen wird. Sechs Tage ist sie in einem fensterlosen, dunklen Raum eingesperrt, unterbrochen von Ritualen. Fünf andere Mädchen erleiden das selbe Schicksal. Als sie frei kommen, schweigen sie alle beharrlich.

Ein hochklassiger Jugendthriller! Von hinten bis vorne durchdacht, mit unvorhersehbaren Wendungen, die den Leser bei Laune halten und einer von Anfang bis Ende konstanter Spannung! Vor allen das Ende ist unglaublich überraschend.

Beginnen wir bei den Charakteren. Nara, die Hauptfigur, ist ein unglaublich starker und rational denkender Charakter. Sie handelt in manchen Situationen zwar naiv, aber dem Alter angepasst. Sie ist sympathisch und glaubwürdig. Auch die Nebencharaktere sind sind gut gezeichnet. Sie entsprechen keinem Klischee. Hervorzuheben ist, dass sie sich zwar jugendlich verhalten, aber sich keiner Rolle anpassen. Die Charaktere sind so individuell wie die Menschen auch. Gut war auch, dass das Mädchen hier ebenso wie den Jungen als starke, eigenständige Persönlichkeiten dargestellt werden, die gleichwertig sind und keine typische „Der Junge muss das Mädchen retten, weil dies das alleine nicht schafft“ Situation entsteht. Obwohl auch hier Gefühle eine Rolle spielen, diese sind aber tiefgründiger und finden auch mehr in der Familien- und Freundschaftsebene statt.

Die Handlung ist, wie schon erwähnt, unglaublich gut durchdacht. Ich habe schon lange keinen Jugendthriller mehr gelesen, der sich durch so unvorhersehbare Wendungen auszeichnet. Der Thriller hat sich letztendlich in eine ganz andere Richtung entwickelt als gedacht. Dies ist aber als durchaus positiv zu bewerten. Die Handlung gliedert sich in drei Teile: den vor der Entführung, den währenddessen und den danach. Im ersten Teil wird die Spannung aufgebaut und die Figuren und ihre Intentionen vorgestellt und die nachfolgenden Geschehnisse eingeleitet. Im zweiten Teil dann wird Nara entführt und man fiebert mit ihr und den fünf anderen Mädchen mit. Es stellen sich dem Leser und Nara einige Fragen, die sich im Laufe der Geschichte, auflösen. Sehr interessant war es auch, Naras psychologische Entwicklung hier mitzuverfolgen. Der dritte Teil ist dann der, in dem die Mädchen beharrlich schweigen müssen und sich die Handlungsweise des unbekannten Täters offenbart. Auch hier sind die Mädchen noch einem Druck ausgesetzt, über den ich nicht mehr verraten möchte. Es ist erstaunlich, wie die Spannung in Teil zwei und drei gleich bleibt, obwohl sich die Umgebung und die gesamte Situation geändert haben. In Teil drei stellt sich dem Leser auch oft die Frage, wie man selber in dem gleichen inneren Konflikt, in dem sich Nara befindet, reagieren würde. Dies trägt auch maßgeblich zur Spannung bei. Bis zum Ende versteht man die Absichten des Täters nicht und die Auflösung kommt sehr überraschend.

Nochmal extern erwähnen möchte ich das Thema, dem sich Schröder hier widmet, das einem zu Beginn des Thrillers gar nicht bewusst ist, weil sie es geschickt in die Handlung einarbeitet und sich der Leser somit unbewusst damit beschäftigt. Weil es heutzutage ein hochexplosives und aktuelles Thema ist, mit dem sich jeder beschäftigen muss, hat sie die „Lehre“ dieser Geschichte sehr gekonnt in den Spannungsbogen eingewebt. Ich denke, da es sehr oft durchgekaut wird, hat der Leser es manchmal auch satt, sich weiter damit zu beschäftigen, obwohl es so unglaublich wichtig ist. Deshalb finde ich die Strategie, wie sie mit dem Thema in ihrer Geschichte umgeht, sehr gut. Es geht um Fremdenfeindlichkeit. Dass es überhaupt darum geht, wird dem Leser aber erst mit der steigender Handlung klar. Schröder konfrontiert ihn damit aber nicht offen, sondern lässt ihn aus dem Verhalten der Charaktere eigene Schlüsse ziehen. Man versteht aber eigentlich bis zum Ende nicht, dass es überhaupt darum ging. Schröder gibt hier Einblicke in die menschliche Psyche und gibt eine Moral ohne erhobenen Zeigefinger wieder. Sehr, sehr gut und sehr, sehr wichtig!

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung. Einfach ein top Buch!


*Erschienen bei Coppenrath*

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Autorin / Autor: loveatheltics - Stand: 3. April 2018