Lernen und Merken: Mnemotechniken
Mit Gedächtnistechniken zum Merkwunder
Hättet ihr Lust, euch mal in so abschreckenden Disziplinen wie Binärziffernsprint, Zahlensinfonie und Zahlenmarathon zu messen? Kein Problem, für die Berechtigung zur Teilnahme müsst ihr "nur" die Qualifikationsnorm erfüllen, die u.a. darin besteht, sich innerhalb von fünf Minuten 20 Ziffern, 20 Wörter oder 10 Spielkarten in der richtigen Reihenfolge (aus einem gemischten Kartenspiel) zu merken. Für alle normalhirnigen Menschen mit Siebgedächtnis natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Oder???
Das Gehirn ist ein Muskel, den man trainieren kann!!!
Nein! Denn das Gedächtnis lässt sich - wie ein Muskel - trainieren und mit ein paar einfachen Tricks und Techniken kann man sehr schnell erstaunliche Resultate erzielen. Auch wenn ihr nicht vorhabt, euch für die Junioren-Memoriade zu bewerben, wäre es doch schön, sich mit Vokabeln, Formeln und geschichtlichen Daten nicht mehr so quälen zu müssen. Mit Übung und ein bisschen Fantasie könnt auch ihr bald zu wahren Lern- und Gedächtniswundern werden.
Die Kunst der freien Rede
Schon die alten Griechen kannten verschiedene Techniken. Um sich komplizierte Zusammenhänge gut merken zu können, wollten sie sich nicht allein auf den Beistand der griechischen Göttin Mnemosyne (der Göttin des Gedächtnisses) verlassen. Die Kunst der Rede spielte in der Antike eine große Rolle und hierzu gehört natürlich auch die Kunst des Memorierens. Man muss sich nämlich vorstellen, dass es die Möglichkeit nicht gab, sich für eine einstündige Rede Notizen zu machen, da es Papier noch nicht gab und Notizen auf Wachstafeln oder den meterlangen Papyrusrollen doch etwas unhandlich waren. Zudem war die freie Rede ein absolutes Muss für jeden, der etwas auf sich hielt. So mussten die Redner also gezwungenermaßen alles auswendig lernen. Zu diesem Zweck wurden also spezielle Techniken entwickelt, die bis heute ihre Gültigkeit haben.
Die Loci Technik
Die bekannteste und wohl auch älteste Mnemotechnik ist die sogenannte Locitechnik (von Lat: locus – Ort). Diese Technik geht laut einer schauerlichen Legende auf den antiken Dichter Simonidis von Keos (6. Jhdt vor Christus) zurück. Simonidis sollte vor einer Festgesellschaft ein Loblied auf den Faustkämpfer Skopas vortragen. Weil er in dem Loblied neben dem Auftraggeber Skopas auch Zeus' Söhne Castor und Pollux lobte, wollte Skopas ihm nicht den vollen Lohn zahlen, woraufhin wiederum die Götter zürnten und den Palast einstürzen ließen. Alle Anwesenden - außer Simonidis - kamen ums Leben. Sie waren von den Trümmern so entstellt, dass sie nicht identifiziert werden konnten. Simonidis aber hatte sich die Sitzordnung der Gäste so gut eingeprägt, dass alle Toten ihrem angemessenen Begräbnis zugeführt werden konnten. Dies also war die Geburt der Loci-Technik.
Inhalte problemlos abrufen
Die Loci-Technik macht sich zu Nutze, dass man Orte und Wege, (vor allem, wenn man sie in- und auswendig kennt) besonders leicht vor dem inneren Auge erscheinen lassen kann (z.B. den Schulweg mit der Parkbank, dem Kiosk, dem alten Baum usw.). Wenn man es nun schafft, die zu lernenden Inhalte (also z.B. eine endlose Reihe geschichtlicher Daten oder chemischer Elemente) mit den einzelnen Stationen dieses bekannten Weges fest zu verknüpfen, kann man die Daten in ihrer richtigen Reihenfolge problemlos abrufen. Der römische Philosoph Cicero beschreibt das so: "Wer das Gedächtnis zu trainieren sucht, muss deshalb bestimmte Plätze wählen und sich die Dinge, die er im Gedächtnis zu behalten wünscht, in seiner Phantasie vorstellen und auf bestimmte Plätze setzen. So wird die Reihenfolge dieser Plätze die Anordnung des Stoffes bewahren, das Bild der Dinge aber die Dinge selbst bezeichnen, und wir können die Plätze an Stelle der Wachstafel, die Bilder statt der Buchstaben benützen."
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Autorin / Autor: Sabine Melchior - Stand: 18. Oktober 2002