Lost & Found
Autorin: Brigit Young
Seit einem schweren Unfall versteckt sich Tillie hinter einer Kamera. Früher war sie ein aktives Kind, das Fußball liebte, doch seit dem Unfall kann sie nur noch unter Schmerzen laufen und keinen Sport mehr betreiben. Ihr Vater, der bei dem Unfall am Steuer des Autos saß, macht sich schwere Vorwürfe und hat sich seit dem unheilvollen Tag vor vier Jahren von seiner Tochter abgewendet.
Das Fotografieren ist seit dem tragischen Ereignis Tillies liebstes Hobby geworden. Die Kamera Ersatz für ein aktives Teilhaben am Sozialleben. Tillie "sieht" dank ihrer Kamera so viel, dass sie für ihre Mitschüler nur noch unter dem Namen "Fundbüro" bekannt ist, seit sie etwas für eine Mitschülerin gefunden hat. Mit ihren unzähligen Fotos, die sie Tag für Tag schießt, kommt Tillie fast allen verlorengegangenen Dingen auf die Spur.
Das führt dazu, dass eines Tages ihr Mitschüler Jake mit der ungewöhnlichen Bitte an sie herantritt seinen Vater zu finden, der seit Tagen nicht mehr erreichbar ist. Hinzu kommt, dass sich seine Mutter und die Arbeitskollegen seines Vaters in widersprüchliche Aussagen verstricken, so dass Jake die abenteuerlichsten Verschwörungstheorien entwickelt. Anfangs will Tillie ihm nicht helfen, doch bald kann sie nicht verleugnen, dass etwas seltsam am Verschwinden von Jakes Vater ist und trotz anfänglicher Abneigung, beginnt sie Jake zu mögen, und bleibt nun auch wegen der aufkeimenden Freundschaft zu ihm bei diesem Fall am Ball. Als sie jedoch herausfindet, was hinter dem Verschwinden seines Vaters steckt, kann sie es ihm nicht mitteilen, da der Grund Jake zutiefst verletzten würde. Doch jede Wahrheit kommt irgendwann an Licht...
Ich hatte bei "Lost & Found" zwar eine spannende Geschichte erwartet, aber keine derart tiefgründige, wie ich sie letzten Endes bekommen habe.
Gleich von Beginn an berührt Tillies Geschichte, die durch den tragischen Unfall nicht nur ihre uneingeschränkte Bewegungsmöglichkeit verloren hat, sondern vor allen Dingen ihren Vater. Dieser ist derart von Selbstvorwürfen zerfressen, dass es ihm nicht einmal möglich ist mit seiner Tochter zu Arztterminen zu fahren, geschweige denn Krankengymnastik mit ihr zu machen. In Tillies Familie wird kaum noch geredet. Was der Vater an scheinbarer Gleichgültigkeit widerspiegelt, kompensiert Tillies Mutter mit krankhafter Fürsorge. Aber auch Tillies Symbiose mit ihrer Kamera zeigt krankhafte Züge, wie ihr Vater es ihr am Ende der Geschichte an den Kopf wirft.
Wie viel Missverständnisse entstehen können, wenn Dinge ungesagt bleiben, zeigt aber nicht nur Tillies Familiengeschichte auf, es zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und ist auch Thema in Jakes Familie und Tillies Schulalltag. Wobei dies - bei allem Ernst - am Ende der Geschichte für den einen oder anderen Schmunzler sorgt und aufzeigt, dass eine Kamera einiges deutlicher sieht, als es der Mensch dahinter vermag.
"Lost & Found" zeigt, dass das Leben nicht immer in geplanten Bahnen verläuft und nicht nur Heranwachsende Schwierigkeiten haben mit unvorhergesehenen Entwicklungen zurechtzukommen, auch Erwachsene können vom Leben überwältigt werden und sich vor schier unüberwindbare Herausforderungen gestellt sehen. Somit empfehle ich dieses Buch absolut als All-Age-Roman und mitnichten nur für Jugendliche.
Es ist eine tiefgründige Geschichte über Familie und Freundschaft, über das Wiederfinden von Dingen, die im Leben wirklich wichtig sind, vom Anderssein und darüber gegen alle Schwierigkeiten seinen Platz in der Gesellschaft zu finden und zu behaupten.
*Erschienen im Knesebeck-Verlag *
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Autorin / Autor: anette1809 - Stand: 19. November 2018