Meine Augen sind hier oben

Autorin: Laura Zimmermann
Aus dem Englischen von Barbara König

Auf dem buttergelben Hintergrund ist der gezeichnete Oberkörper eines Mädchens zu sehen, die Augen gerade so aus dem Bild, den einen Arm herausfordernd in die Hüfte gestemmt. Eine Sprechblase verdeckt den Brustbereich, in pinkroten Lettern darin der Titel: Meine Augen sind hier oben.

Was auf den ersten Blick ein witziges Titelbild ist, verbirgt eine vielschichtige und mutige Geschichte. Eine Geschichte über Bodyshaming, Selbstzweifel, Vertrauen… über alles, was einem beim Erwachsenwerden ein Bein stellt – und oft auch darüber hinaus. Laura Zimmermann hat eben diese Themen offen und unverblümt gepackt, mit einer ordentlichen Prise Sarkasmus gewürzt, und einen großen Becher ungefilterte Emotionen untergerührt. Herausgekommen ist ein Buch, das ich nur jedem empfehlen kann. Es ist ehrlich, realitätsnah und lies sich wunderbar flüssig. Trotzdem möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen: Wer selber stark unter Bodyshaming leidet, sollte sich bewusst machen, dass dieses Buch sehr intensiv mit diesem Thema arbeitet und gegebenenfalls einen empfindlichen Nerv treffen kann! Bitte passt auf euch selber auf und sucht euch eine Vertrauensperson, mit der ihr darüber reden könnt.

Im Roman begleiten die Leser die 15 Jahre alte Greer. Eigentlich ein intelligentes, schlagfertiges Mädchen, das mit Sarkasmus gekonnt umzugehen weiß, versucht sie trotzdem unter dem Radar zu fliegen und versteckt ich wortwörtlich in den für sie viel zu großen Klamotten ihres Vaters. Der Grund ist so simpel wie schmerzhaft: durch die körperlichen Veränderungen der Pubertät hat sie einen sehr großen Busen bekommen. Für sie ist es ein großer Makel an ihrem Körper, ein vermeintlicher Blickmagnet, für den sie sie sich schämt. Viel mehr noch, sie ist der festen Überzeugung, dass ihre Mitmenschen hinter ihrem Rücken genau deswegen über sie reden. Sport, noch dazu Teamsport, ist geradezu eine Horrorvorstellung für sie – wie soll sie mit diesem Busen Sport ausüben? Sich körperlich in Szene setzen? Graus, dann schauen ja erst recht alle drauf! Und überhaupt, das schmerzt ja auch noch körperlich…

Als sie den neuen Mitschüler Jackson und dessen Schwester kennenlernt, wird es auch nicht einfacher. Zwar sind da diese Schwingungen, denn auch Jackson ist nicht ganz unbeschwert im Leben, häufige Umzüge und daraus resultierende Entwurzlungen haben ihre Spuren hinterlassen, jedoch ist Greer auf dem besten Weg, sich in ihn zu verlieben. Sie möchte, dass er sie mag. Und deshalb kann sie nicht aufhören an ihren großen körperlichen Makel zu denken.
Wie Greer Stück für Stück lernt, ihren Körper zu akzeptieren, ihm zu vertrauen und sich anderen Menschen anzuvertrauen, möchte ich nicht verraten, jedoch sei gesagt: ihr Weg könnte der so vieler junger Menschen sein. Fortschritte, Rückschritte, all das berücksichtigt Laura Zimmermann und schafft so eine unglaublich ehrliche und lesenswerte Geschichte, die hoffentlich allen LeserInnen Mut macht.

Besonders gut hat mir übrigens gefallen, wie gut mit dem Thema der weiblichen Pubertätsveränderung umgegangen wird. Ja, die Ursache für Greers Unsicherheit ist ihr großer Busen, trotzdem ist mir bisher noch kein Buch untergekommen, wo es so ehrlich angesprochen wird. Nicht die Veränderung selbst, sondern alles was dazu gehört. Schmerzende Brüste, die Unsicherheit, das Körpervertrauen, das plötzlich ins Wanken gerät, und: die Schwierigkeit, den richtigen BH zu finden.

Ich gebe wohlverdiente 5/5 Punkte für eine gehörige Portion Mut, garniert mit Witz und Ehrlichkeit.


*Erschienen bei Arctis*

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    Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 7. Oktober 2020