PETA - Aufmerksamkeit um jeden Preis?

PETA leisten Pionierarbeit, wenn es um das Einstehen für artgerechte Tierhaltung geht. Um eine breite Wirkung zu erzielen, müssen möglichst aufmerksamkeitsstarke und schockierende Maßnahmen ergriffen werden. Mit ihrer neuesten Kampagne wandern PETA wieder mal auf einem schmalen Grat und schneiden dabei ein brisantes Thema an: Gewalt in Beziehungen.

Als Öko-Bloggerin genauso wie als Individuum nehme ich regelmäßig und immer wieder gerne Bezug auf PETA, DIE Verkörperung von tierfreundlichem Lifestyle und fleißige Propagandistin eines veganen Lebenswandels. Wer eine Umstellung von omnivorer zu – seien wir mal vorsichtig-ehrlich und sagen nicht veganer, sondern stark tierproduktreduzierter – Nahrung vornimmt, kommt kaum an dem Verein vorbei, der sich so eloquent "People for the Ethical Treatment of Animals" nennt. Massentierhaltung, veganes Kochen, Tipps für die ausgewogene Ernährung – PETA haben zu fast jedem Thema Informationen und Inspirationsmaterial.

PETA in der Kritik

Dass die Organisation also in vielerlei Hinsicht so großartige Arbeit leistet, macht mich umso wütender darüber, wie sie ihren massiven Einfluss auch missbraucht. Konkret geht es mir um das Frauen- und Beziehungsbild, das PETA in ihrer neuen Kampagne (manche würden sagen: wieder mal) verbreitet.

Nun ist es nichts Neues, dass PETA für ihre Darstellung von Frauen in der Kritik stehen. Seit ich feministische Medien verfolge, zufälligerweise ähnlich lang, wie ich mich mit dem vegetarischen/veganen Leben auseinander setze, fallen mir immer wieder Artikel ins Auge, die sich über die Tierrechts-Organisation hermachen. Frauen würden zu Objekten degradiert, übersexualisiert dargestellt, in ihren Rechten angegriffen, heißt es da. Insbesondere in der Argumentation meines feministischen Lieblingsmediums, dem amerikanischen MsMagazine (mit zugehörigem Blog) fiel mir das immer wieder auf. Doch bis vor Kurzem hatte ich dabei häufig das Gefühl, die Unterstützer einer guten Sache schössen hier über das Ziel hinaus, indem sie die Vertreter einer ANDEREN guten Sache aus – aus meiner Sicht – eher kleinlichen Gründen angriffen.

Riskante Kampagnen?

In Kampagnen gegen das Tragen von Fellen wurden PETA dafür kritisiert, dass sie tierische Fellprodukte mit der Intimbehaarung von Frauen verglichen, die dabei als ebenso abstoßend dargestellt wurde wie die Unterstützung der Ausbeutung und des Tötens von Tieren. Meiner Ansicht nach eine Grauzone – ist das noch ein Vergleich, der einfach nur Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder einfach nur sexistisch? Ich halte es persönlich einfach für dumm, gesellschaftlich etablierte Schönheitsnormen wie enthaarte Unterkörper als das Nonplusultra anzusehen... andererseits glaube ich auch, dass es wesentlich schlimmere Verbrechen gegen das weibliche Körpergefühl gibt. Was mich wirklich stört ist, dass hier nur weibliche Beispiele herangezogen werden – genauso gut hätte man die Kampagne auf beide Geschlechter beziehen und ihr dadurch etwas von ihrer abwertenden Botschaft nehmen können. Alles in allem aber würde ich sagen, immer noch ein Thema, das für mich nicht genug Sprengkraft enthält, um wirklich einen PETA-Boykott zu rechtfertigen.

Andere Medienkampagnen, die Kritik auf sich zogen, fand ich persönlich sogar einfach kreativ und gut ausgedacht: So die Idee, Menschen (problematisch dabei: wieder nur Frauen) als "Fleisch" zu verpacken oder eine schwangere Frau in Anlehnung an schwangere "Nutztiere" in einen Käfig zu stecken. Natürlich sendet das frauenverachtende Botschaften –aber doch letztendlich mit dem Ziel, auf die ebenso ethisch verwerflichen Einstellungen gegenüber Tieren hinzuweisen. Die Haltung soll dadurch nicht unterstützt, sondern untergraben werden.

In ihrer neuesten Kampagne haben PETA aber, meines Erachtens, eine neue Saite angeschlagen. Auch hier wird wieder eine Frau als Opfer von Gewalt dargestellt – nur diesmal nicht als Metapher für ein Tier, sondern als sie selbst. Und noch schlimmer: Die Gewalt ist hier nicht mehr das, wogegen protestiert wird – sie wird ausdrücklich als erwünscht dargestellt.

"Veganer haben besseren Sex"

Worum geht‘s? Um Menschen zum Veganwerden zu inspirieren, haben PETA sich vorgenommen, die Botschaft zu verbreiten, dass Veganer besseren Sex haben. Das sei so, weil der niedrigere Cholesterinkonsum zu einer besseren Durchblutung führe, wichtig vor allem für die männliche Ausdauer beim Sex. So weit, so gut. Das kann ich nicht wissenschaftlich nachprüfen, aber ich will‘s mal glauben.

Problematisch ist die Art und Weise, auf die diese Botschaft verbreitet wird: Man sei auf ein neues Krankheitsbild gestoßen, so PETA, eine Krankheit mit dem Namen "Boyfriend went vegan and knocked the bottom out of me", kurz "BWVAKTBOOM". Dabei wird eine Frau "portraitiert", die an dieser Krankheit leiden soll – müde, lustlos und offenbar schwer misshandelt kommt sie daher. Und das alles, weil ihr Freund auf einmal in der Lage sei "sich im Bett wie ein tantrischer Pornostar" zu zeigen.

Was dabei offensichtlich ignoriert wird, ist, dass Gewalt in Beziehungen bzw. sexuelle Gewalt nicht im Geringsten etwas Positives darstellt. Wenn eine Frau beim Sex Verletzungen erleidet, dann nicht, weil ihr Partner auf einmal so viel "besser"  und ausdauernder geworden ist, sondern weil da offensichtlich etwas sehr, sehr falsch läuft. Auch die anderen Menschen, die auf der Website dargestellt werden, die PETA der "Krankheit" widmen, scheinen allesamt unter ihrer Lage zu leiden. UND TROTZDEM ERZÄHLEN UNS PETA, ES SEI EINE GUTE IDEE, VEGAN ZU WERDEN UM DIESES ERGEBNIS ZU ERZIELEN.

PETA kennen keine Tabu-Themen

Liebe PETAner, könnt ihr wirklich nicht den Unterschied erkennen zwischen ausdauerndem Sex und einer Vergewaltigung? Eben weil ich die Kampagne so unverantwortlich fand, habe ich PETA eine Nachricht geschickt, in der ich das zum Ausdruck gebracht habe.

Die Antwort?
"BWVAKTBOOM is not about domestic violence—it’s a public service announcement–style, tongue-in-cheek “warning” about the side effects of vegans’ healthy sex lives! We believe that no topic is taboo—including the benefits one reaps with a vegan in the bedroom."

Ähm, entschuldigung, aber habt ihr euch euer eigenes Video nicht angesehen? Die Frau hat offenbar schwere Verletzungen davon getragen. Davon, dass sie dann offenbar kaum bekleidet einkaufen geschickt wurde, um ihrem Herrn und Meister etwas zu Essen zu besorgen, wollen wir mal gar nicht reden. (Dumme Rollenklischees, anyone?) Besonders positiv scheint sie einer Wiederholung der Episode auch nicht entgegen zu sehen.

Wäre es nicht "tounge-in-cheek" genug, den Menschen ein besseres Sexleben zu versprechen? Wäre das nicht ohnehin viel überzeugender, wenn in dem Video Leute zu sehen wären, die tatsächlich Spaß haben in ihrem veganen Leben, mit allem, was laut PETA-Definition daraus folgen mag? Nein, liebe PETAner, diesmal kann ich euch nicht entschuldigen.

Zurück zur Übersicht

Die Leinwand, die die Welt bedeutet

Über die Rolle von Frauen im Film und Geschlechterklischees in "What a man"

 

Im Abseits geparkt? Geschlechtergerechte Sprache

Gleichberechtigung von Frauen und Männern beginnt schon im Kleinen: Geschlechtsneutrale Formulierungen sollen verhindern, dass Frauen von vornherein benachteiligt werden.

 

PETA - Aufmerksamkeit um jeden Preis?

Mit ihrer neuesten Kampagne wandern PETA wieder mal auf einem schmalen Grat und schneiden dabei ein brisantes Thema an: Gewalt in Beziehungen.

 

Sag mir dein Geschlecht, und ich sag dir wer du bist?

Es ist normal und beinahe unumgänglich, dass Menschen andere Menschen kategorisieren. Aber ist das auch sinnvoll? Ein Pamphlet über geschlechtsspezifische Rollenbilder.

 

Quotenmädchen

Warum ist das Angebot an weiblichen Rollenbildern eigentlich so begrenzt?

 

X-Chromosomen bitte hier entlang!

“Woman´s World”: Nicht das rosa Glätteisen ist das Problem, sondern die Botschaft!

 
Stand: 3. April 2012