Unbewusstes Erleben beeinflusst bewusstes Verhalten
Lernen ohne zu lernen: Das Gehirn analysiert und speichert von selbst
Durch unsere Sinne können wir Situationen bewusst erleben. Wir sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen etwas, analysieren, vergleichen und speichern ab. Das passiert ganz alltäglich und nahezu immer. Dieses abgespeicherte Wissen wird aber nicht etwa nur zu Dokumentationszwecken archiviert, sondern später weiter verwendet. Und dieses erlernte Wissen kann dann unser Verhalten beeinflussen.
Ein Beispiel: Zuerst sehen wir einen jungen Mann in einem Sportwagen vorbeifahren. Später düst ein unbekannter älterer Mann in demselben Vehikel an uns vorbei. Diese beiden Situationen lassen sich unterschiedlich kombinieren und erklären. Eine Möglichkeit kann sein, dass sich die beiden kennen, und einer vom andern das Auto geliehen hat. Deshalb erstaunt es auch nicht, wenn wir beide später zusammen im Kino sehen, da wir über Vorwissen verfügen, das wir uns durch die Verknüpfung beider Situationen angeeignet haben: So wirken bewusst erinnerte Situationen auf das bewusste Verhalten.
Dieser Lernprozess läuft im Hippokampus ab, einer Hirnstruktur, die beidseits tief im Gehirn unterhalb des Schläfenbereichs sitzt und komplexes Lernen und Erinnern ermöglicht. Bisher ging man davon aus, dass im Hippokampus nur bewusst erlebte Situationen verarbeitet werden. Ein Forscherteam um den Psychologen Thomas Reber von der Universität Bern konnte nun das Gegenteil zeigen: Auch unbewusstes Erleben wird so verarbeitet, dass das dadurch erworbene Wissen später das Verhalten beeinflussen kann.
Im Experiment wurden den Probanden zwei Situationen jeweils nur unterschwellig gezeigt. Sie konnten sie nur einige tausendstel Sekunden „sehen“, nahmen sie also nicht bewusst wahr – das Gehirn allerdings schon. Die dritte Situation dagegen wurde „normal“ lange gezeigt und stellte die Versuchspersonen vor eine Entscheidung. Dabei wurden die unbewussten Erinnerungen im Hippokampus aktiviert, wie die Forscher mittels eines Magnetresonanztomographen nachweisen konnten. Obwohl man also nichts von den Erinnerungen weiß, wirken sie sich auf das Entscheidungsverhalten aus. „Diese Ergebnisse erweitern die gängigen Gedächtnistheorien und relativieren die Bedeutung des Bewusstseins beim Lernen“, sagt Thomas Reber.
Ist es also bald möglich, im Schlaf zu lernen? Wir werden sehen…
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Autorin / Autor: Annika Willinger; - Stand: 04. Mai 2012