Wettbewerb der Erinnerungsreize
Studie: „Bulimie-Lernen“ führt dazu, dass sich Lerninhalte selbst Konkurrenz machen
Wer kann schon widerstehen, wenn beim Lernen das Handy piept oder der Duft von frischgebackenem Apfelkuchen durchs Schlüsselloch kriecht? Aber: Wer sich beim Lernen ablenken lässt, macht nicht nur mal eben eine wohlverdiente Pause, sondern riskiert, seine Erinnerung ans Gelernte zu „überschreiben“. Es sei denn, man wiederholt den Lernstoff, dann hat man gute Chancen, ihn ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig konnte nun zeigen, wie diese Phänomene auf zellulärer Ebene zusammenhängen: Neue Synapsen stehen im Wettbewerb um verstärkende Proteine – eine Erinnerung gewinnt, die andere verliert.
Erhält das Gehirn neue Informationen werden sie vom ihm unterschiedlich „gespeichert“. Die meisten landen im Kurzzeitgedächtnis, nur wenige im Langzeitgedächtnis. Warum das so ist und welche Informationen in Langzeitgedächtnis abgespeichert werden, haben Wissenschaftler um den Neurobiologen Professor Korte herausgefunden. Für ihre Untersuchung haben sie Hirnschnitte vom Hippocampus eines Mäusehirns angefertigt, also von der für das Faktenlernen entscheidenden Gehirnregion. Diese haben sie stimuliert und verschiedene Gruppen von Synapsen aktiviert – das heißt die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen, an denen Erinnerungen abgespeichert werden. Korte und seinem Team konnten diese Untersuchungen über einen Zeitraum von mehr als zehn Stunden durchführen, was bisher nur wenigen Arbeitsgruppen weltweit gelungen ist.
Durch den langen Untersuchungszeitraum konnten die Hirnforscher zeigen, wie Erinnerungen den Weg vom ihrem Kurz- ins Langzeitgedächtnis finden. Sie stehen nämlich dabei in Konkurrenz um sogenannte Gedächtnis-assoziierte Moleküle. Das sind Eiweißmoleküle (Proteine), die benötigt werden, um die Synapsen langfristig zu verstärken. Wird innerhalb einer Stunde nach dem Abspeichern einer Erinnerung ein zweiter Reiz gesetzt, der in assoziativer Verbindung zu der Erinnerung steht, wird diese gestärkt. Ist der zweite Reiz jedoch unabhängig, kann er die Eiweißmoleküle der ersten Erinnerung „kapern“ und für sich selbst nutzen. Damit ist die erste Erinnerung verloren und die zweite umso erfolgreicher abgespeichert.
*Kleine Lerneinheiten sind sinnvoll*
Der Wettbewerb der Erinnerungsreize um Proteine zeigt, dass es also eigentlich besser ist, Lerninhalte auf viele kleine Portionen und über viele Tage zu verteilen. So können sie sich gegenseitig verstärken. Das „Bulimie-Lernen“ über viele Stunden am Stück hingegen führe dazu, dass sich die Lerninhalte selbst Konkurrenz machen. Vor allem aber sollte Multitasking beim Lernen vermieden werden, warnen die Forscher. Durch Fernsehen, Surfen im Internet oder auch einen anderen Lernstoff treten neue Reize in Konkurrenz zum Gelernten und der Zufall entscheidet darüber, welche Information es ins Langzeitgedächtnis schafft.
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift “Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America” (PNAS) publiziert.
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Autorin / Autor: Redaktion /Pressemitteilung - Stand: 6. August 2014