#ausnahmslos

Feminist_innen fordern einen differenzierteren Umgang mit den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht

Frauen kennen das Thema sexualisierte Gewalt nicht erst seit Silvester – obwohl diese Form der Bedrohung durch Gruppen ein besonders schlimmes Erlebnis ist. Feminist_innen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und unterschiedlicher Herkunft haben unter dem Hashtag #ausnahmslos nun Stellung bezogen und eine Differenzierung der Debatte angemahnt. Ihr Anliegen ist, dass die Vorfälle sexualisierter Gewalt an Silvester und zu anderen Zeitpunkten nicht rassistisch instrumentalisiert werden. "Sexualisierte Gewalt darf nicht nur dann thematisiert werden, wenn die Täter die vermeintlich `Anderen´ sind: die muslimischen, arabischen, schwarzen oder nordafrikanischen Männer – kurzum, all jene, die rechte Populist_innen als `nicht deutsch´ verstehen. Sie darf auch nicht nur dann Aufmerksamkeit finden, wenn die Opfer (vermeintlich) weiße Frauen sind. Der Einsatz gegen sexualisierte Gewalt muss jeden Tag ausnahmslos politische Priorität haben, denn sie ist ein fortwährendes Problem, das uns alle betrifft" schreiben die Autor_innen in ihrem Aufruf.

Sie zitieren auch eine Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) von 2014, nach der mehr als die Hälfte aller Frauen bereits sexuelle Belästigung erfahren und ein Drittel sexualisierte und/oder physische Gewalt erlebt hat. Laut polizeilicher Kriminalstatistik zeigen 7.300 Frauen im Jahr Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen in Deutschland an - also zwanzig pro Tag. Deshalb fordern die Initiator_innen politische Lösungen wie zum Beispiel die stärkere Unterstützung von Beratungsstellen und Frauenhäusern und die Anpassung der Gesetzeslage, die "sexuelle Belästigung" in Deutschland endlich als eigenständige Straftat ahndet.

Neben vielen weiteren politischen und gesellschaftlichen Forderungen formulieren die Initiator_innen von #ausnahmslos auch Hinweise für die Medien, die durch ihre Textwahl („Sex-Gangster” oder „Sex-Mob”) oft die Opfer verhöhnen und die Taten verschleieren. Die Redaktionen sollten rassistische und sexistische Klischees in der (Bild-)sprache meiden und sexualisierte Gewalt nicht „islamisieren“, wenn sie nicht mindestens 5 Millionen Menschen in Deutschland unter Generalverdacht stellen wollen. Ein Problem des Journalismus sei auch, dass nur ein Bruchteil der Journalist_innen in Deutschland nicht-deutscher Herkunft seien und "männlich, heterosexuell und weiß dominierte Chefredaktionen tragen dazu bei, dass Themen, die andere Geschlechter, Ethnien und Minderheiten betreffen, nicht mit ausreichend Raum und Kompetenz behandelt werden."

Viele Menschen haben inzwischen ihren Namen auf die Liste der Unterzeichner_innen gesetzt, ein Hoffnungsschimmer, dass die Vorfälle in der Silvesternacht auch die Forderungen derjenigen hörbar machen, die Opfer wurden und jeden Tag aufs Neue sind: die Frauen.

Den Aufruf lesen und unterscheiden könnt ihr hier:

Mehr zum Thema Gewalt gegen Mädchen und Frauen auf LizzyNet