Gekoppelte Gehirne
Amerikanische Forscher entwickeln einen Weg, Gedankenimpulse einer Ratte auf eine andere zu übertragen – sogar per Internet.
„Sie werden assimiliert werden. Widerstand ist zwecklos.“ Die eine oder andere von euch wird die Rasse der Borg aus Star Trek kennen. Die Borg sind hochintelligente Wesen, die sich über Gehirnimplantate als Kollektiv vernetzen. Alle sind zusammen geschaltet, denken gemeinsam, handeln gemeinsam, um Probleme zu lösen. Eine erschreckende oder faszinierende Vision? Auf jeden Fall eine, der amerikanische Neurobiologen jetzt einen Schritt näher gekommen sind.
*Verkabeltes Hirn*
Das Gehirn funktioniert über elektrische Impulse, die von einer Nervenzelle an die nächste weitergegeben werden. Schon früher hatten Wissenschaftler nachgewiesen, dass es auch auf von außen zugeführte Reize reagiert. Implantiert man einem Tier Elektronen in einen bestimmten Gehirnbereich und schickt einen Stromimpuls, führt es z.B. unwillkürlich Bewegungen aus. Die Weiterentwicklung sind so genannte Brain-machine-interfaces (Gehirn-Maschinen-Verbindungen, BMIs), mit denen nicht nur eine Maschine ein Gehirn beeinflussen kann, sondern auch umgekehrt. So konnten z.B. Affen über Sensoren an einem künstlichen Arm spüren, was dieser gerade berührte, ihn aber auch steuern, indem sie die entsprechende Bewegung „dachten“.
Für die neue Studie nutzte eine Forschergruppe um Miguel Nicolelis vom Duke University Medical Center nun die Technik der BMIs, um quasi eine Verbindung zwischen zwei Gehirnen zu schaffen. Dazu implantierten sie zwei Ratten jeweils Elektroden in den Gehirnbereich, der für Bewegung zuständig ist. Bei einem der Tiere (der „encoder“-Ratte) konnten diese Elektroden Gehirnimpulse aufzeichnen, beim anderen (der „decoder“-Ratte) die Hirnzellen stimulieren. Beide Implantate wurden dann über einen Computer verbunden. Der „encoder“-Ratte war beigebracht worden, in ihrem Käfig einen bestimmten Hebel zu betätigen – dafür bekam sie eine Belohnung. Wenn sie nun diese Bewegung ausführte, wurde der elektrische Impuls in ihrem Gehirn über die Elektroden quasi „mitgelesen“, von dem Computer in ein Signal umgewandelt, das er an das Implantat der „decoder“-Ratte schickte, das es wiederum in einen Nervenimpuls umwandelte.
Das Ergebnis war eindeutig: In über 70% der Fälle betätigte die zweite Ratte in ihrem Käfig den gleichen Hebel wie die erste – obwohl sie das nicht gelernt hatte und auch keine direkte Belohnung dafür bekam. Im nächsten Schritt wurden die Implantate so erweitert, dass auch Nervenimpulse des „decoders“ an den „encoder“ übermittelt wurden. Drückte die „encoder“-Ratte nun den Hebel, bekam sie also die Reaktion im Gehirn der anderen mit. Nach einigen Durchgängen zeigte sich dabei eine verblüffende Entwicklung: Die Tiere begannen zu interagieren – machte die „decoder“-Ratte doch einmal einen Fehler, bewegte sich der „encoder“ beim nächsten Mal besonders langsam und deutlich. Die Gehirne arbeiteten zusammen wie eins.
Übrigens: Das Ganze funktionierte nicht nur bei Ratten im gleichen Labor. Die Forscher setzten später auch statt nur eines Computers zwei ein, die über das Internet verbunden waren. So konnten die Gehirnimpulse einer Ratte in North Carolina (USA) nach Brasilien gesendet und dort auf eine zweite Ratte übertragen werden - beide Tiere waren über Tausende Kilometer hinweg miteinander verbunden.
*Hilfe für schwer kranke Menschen?*
„Jetzt arbeiten wir mit Affen und trainieren sie so, dass sie computergenerierte Avatare steuern können,“ sagt Nicolelis. „Sie werden sich im virtuellen Raum treffen und ein Spiel erlernen. Um es zu beenden, werden sie über direkte Gehirn-zu-Gehirn-Interaktion miteinander kommunizieren und ihre Aktivitäten abstimmen müssen.“
Was erst einmal befremdend klingt, soll eines Tages einem guten Zweck dienen: In Zukunft könnten solche Implantate Menschen helfen, die nach Schlaganfällen oder durch neurologische Erkrankungen (z.B. Parkinson) in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind. Gesunde könnten ihre Nervenimpulse auf die Kranken übertragen, deren Bewegungen sich so normalisieren würden. Ob das jemals wirklich möglich sein wird, steht aber natürlich noch in den Sternen.
Und es wird ethische Fragen aufwerfen: Darf man derartig in das Gehirn eines Menschen eingreifen? Wollen wir die Möglichkeit haben, ein wenig so zu werden wie die Borg?
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 4. März 2013