Kurioses Zeitempfinden
Studie: Wer Zeit für andere opfert, ist weniger gestresst
Den halben Tag sitzt du in der Schule beziehungsweise bei der Arbeit, dann geht’s gleich an die Hausaufgaben, aufgeräumt werden muss auch noch und und und. Ein Termin folgt dem nächsten, du bist total gestresst und hast das Gefühl, es fehlt Zeit für dich selbst und die schönen Dinge im Leben? Na dann solltest du dir vielleicht die eigentlich nicht vorhandene Zeit nehmen und diese anderen Menschen widmen. Klingt paradox, aber wer ständig das Gefühl hat, unter Zeitdruck zu stehen, sollte sich ein paar Stunden die Woche nehmen, um anderen Menschen zu helfen. Das raten ForscherInnen der Wharton School an der University of Pennsylvania nach einer Studie. Die Erklärung von Cassie Mogilner und ihren KollegInnen ist simpel: Wer seine Zeit für Mitmenschen opfere und etwas Gutes tue, habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Somit entstehe wiederum das Gefühl, dass wir mehr Zeit zur Verfügung haben, schreiben die ForscherInnen im Fachmagazin Psychological Science.
Zu dieser Erkenntnis kamen sie nach insgesamt vier Experimenten. Im ersten teilten sie die 218 Teilnehmenden in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe bekam die Aufgabe, etwas Gutes zu tun: Die TeilnehmerInnen sollten einen aufmunternden Brief an ein schwerkrankes Kind schreiben. Die Aufgabe für die zweite Gruppe war eher stumpfsinnig: Die ForscherInnen gaben den Testpersonen einen lateinischen Text, in dem sie alle „E“s zählen sollten. Zum Abschluss wurden beide Gruppen gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und unter anderem einzuschätzen, wie viel Zeit die Wissenschaftlerinnen ihnen für die Aufgabe gewährt hatten. Und siehe da: Die BriefeschreiberInnen hatten das Gefühl, über deutlich mehr Zeit verfügt zu haben als die Buchstaben-ZählerInnen.
In einem zweiten Experiment gab das Forscherteam den TeilnehmerInnen an einem Samstagmorgen eine spontane Aufgabe. Ein Teil der Testpersonen sollte sich eine halbe Stunde lang Zeit nehmen, um sich selbst etwas Gutes zu tun. Was das war, war ihnen selbst überlassen, es sollte allerdings etwas sein, das sie nicht eingeplant hatten. Die anderen Testpersonen sollten sich die gleiche Zeit nehmen, um anderen außerplanmäßig etwas Gutes zu tun. Und auch hier zeigten die Fragebögen: Wer die Zeit für andere „geopfert“ hatte, fühlte sich weniger gestresst und hatte weniger das Gefühl von Zeitmangel als diejenigen, die sich mit sich selbst beschäftigten.
Weitere Versuche unterstrichen die Ergebnisse. Studenten bekamen etwa während eines Seminars erklärt, dass sie am Ende der Stunde einer benachteiligten Person bei einem Aufsatz helfen sollten. Als es dann soweit war, bekam der eine Teil des Kurses tatsächlich den Aufsatz, um diesen zu korrigieren, der Rest wurde nach Hause geschickt mit der Begründung, dass nicht mehr genügend Kopien vorhanden seien. Obwohl sie weniger Zeit für sich selbst hatten, hatten die Helferinnen das Gefühl von mehr Freizeit als diejenigen, die früher nach Hause kamen.
Das Fazit der ForscherInnen: Wenn wir einige Minuten selbstlos verbringen, haben wir das Gefühl viel Gutes in wenig Zeit zu schaffen. Der Tag ist sozusagen sinnvoll gefüllt, man hat den Eindruck, tüchtig und produktiv gewesen zu sein. Wem also mal wieder alles über den Kopf zu wachsen scheint, der sollte sich vielleicht einfach mal eine Auszeit nehmen, um anderen und damit auch sich selbst etwas Gutes zu tun ;-).
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Autorin / Autor: Redaktion; - Stand: 4. April 2012