Die Erde erklärt Eigenbedarf (§ 573 BGB)
Beitrag zum Wettbewerb green poems von C. Rode, 20 Jahre
Beginnt man am Ende? Niemals. Doch manchmal ist das Ende das, was uns beginnen lässt. Der Klimawandel als juristischer Text.
Die Erde könnte gemäß § 573 BGB Eigenbedarf erklärt haben. Dafür müsste sie rechtwirksame Gründe aufweisen können.
Die Erde erklärt Eigenbedarf im Jahre 2050. Form und Frist werden eingehalten.
Menschen könnten in einer Illusion leben. Eine Illusion beschreibt eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit. „Das war ein toller Sommer!“ hört man sie sagen. Endlich war es wieder richtig sommerlich. Heißer Sommer = eiskalter Winter. Ein Bauernsprichwort. Doch es wird nicht kälter. Es wird wärmer und wärmer. Die Menschen registrieren die Realität nicht. Sie leben folglich in einer Illusion.
Zudem könnten Orte der Erde – wie z. B. Sylt – nicht mehr existieren. Sylt ist ein Ort, den man nur aus Fabeln kennt, eine der Erde gehörende Insel. Lange weiße Strände. Belebende Windböen und ein jährliches Naturspektakel der lila blühenden Heide. Jetzt gibt es dort nichts mehr Lebendes. Deutschland ist damit nicht allein. Die Westküste Europas beißt und schneidet sich in das Land ein. Nichts ist mehr, wie es war. Sylt ist folglich Nichtexistenz.
„Umweltflüchtling“ könnte als das Wort des Jahres gewählt werden. Ein Umweltflüchtling ist jede Person, die ihre Heimat aufgrund von klimabedingten Schäden verlassen muss. Das Wort des Jahres ist ein Schlagwort, das für ein charakteristisches Ereignis oder eine bezeichnende Diskussion des Jahres steht. Es gibt kein Haus mehr, kein Bett, keine Heimat. Die Luft ist nicht mehr zu atmen, die Stürme zu stark, die Brände zu wüst, das Wasser zu hoch. Perspektivenlosigkeit. Bis 2050 werden 140 Millionen Menschen geflüchtet sein. Eine Flucht ist das Verlassen eines Ortes aufgrund einer unmittelbaren Gefahr. „Umweltflüchtling“ wird als das Wort des Jahres gewählt werden.
Es könnte ein Artensterben vorliegen. Dieses bezeichnet das Ende einer evolutionären Stammlinie infolge des Todes aller Nachkommen. Noch 30 Jahre. 30 Jahre Artenvielfalt. Dann stirbt jede zweite Art aus. Wir waren so nah. Feierten Diversität, eine bunte Welt, staunten über das, was uns die Natur vormachte. Kein Hass, keine Ausgrenzung in der Welt der Flora und Fauna. Wir konnten nicht aufhören. Wir nahmen und nahmen. Zerstörten ein Naturparadies nach dem anderen. Keiner kann behaupten, er wüsste nicht, was er tat. Jeder Tropfen gewonnenes Öl, jeder Block Kohle forderte Leben. Eines nach dem anderen. Das Artensterben ist zu bejahen.
Kinder dürfte man keine mehr in diese Welt setzen. Fortpflanzung ist der Akt der Besiedelung der Erde durch unsere Art. Es wäre verantwortungslos. Die jahrzehntelangen Streitigkeiten über das Abtreibungsrecht sind dahingestellt. Wir sind die letzte Generation. Die letzten, die diese Erde betreten dürfen. Kein Kind darf mehr das Licht der Welt erblicken. Hier gibt es kein Licht mehr. Fortpflanzung ist nicht mehr legal.
Die Erde ist ein Ort, der nicht mehr unserer ist, nein, er war noch nie unserer. Wir lebten zur Miete. Jedoch zahlte niemand diese. Die Erde erklärt mit Aussicht auf Erfolg Eigenbedarf.