Stell dir vor
Beitrag zum Wettbewerb green poems von Julie Samira Kämpfer, 25 Jahre
Stell dir vor
Du bist ganz neu auf der Welt, ein kleiner Riese
und hier ist nicht Kindsein, sondern Profit die Devise.
Statt des Ozeans hast du nur eine Illusion dessen bekommen,
du kennst sie nicht - denn deiner Familie wurde Freiheit genommen.
Gesehen hast du deine Mutter noch nie,
doch du hörst sie laut nach dir schreien.
Sie sollen ihr einen Blick ihres Babys verleihen
und ihre Rückenflosse tut weh, gefangen auf wenigen Quadrametern,
du bekommst keinen Namen,
denn du stirbst wenig später.
Am nächsten Tag, ihr Herz kann kaum atmen, die Bewegung blei schwer,
doch die Show muss laufen, denn die Menschen in San Diego wollen „Meer“.
und sie will einen letzten Fisch,
bevor sie einer Mutter ebenfalls den Sohn nimmt vom.
Stell dir vor
Du bist ganz neu auf der Welt, ein kleiner Riese
und hier ist nicht Kindsein, sondern Profit die Devise.
Nichtmal deine Oma weiß mehr wo lang - fiebernde Natur,
Du merkst für sie wird’s schwerer der stetige Gang - liebender Stur.
Dein Vater hat sich in den letzten Ästen der Trockenheit verfangen,
sein Aufprall erschütternd, Mama ist vor Durst bloß weitergegangen.
„Die Wege“, sagt sie, „sind nicht mehr, wie sie waren.
Jetzt werden sie von Menschen befahren.“
Deine großen Ohren lauschen. Das graue Rauschen.
Ein Glitzerhaus, aus dem steigt ein dünnes Menschlein aus.
Noch lauter der Knall
Als Papas Fall.
Bevor du Mama nach Schutz fragst,
ist es sie, die nun tot vor dir lag.
Stell dir vor
Du bist ganz neu auf der Welt, ein kleiner Riese
und hier ist nicht Kindsein, sondern Profit die Devise.
Du schaust dich um, du hast alles und doch ist da nichts für die Seele.
dass dir das Meer aus den Augen treibt, die Wüste aus der Kehle.
Du schwimmst in Privilegien der (Ein)Bildung,
Handlungen skrupellos, initiert aus Gier,
ertrinkst in ihnen aus emotionaler Verschuldung.
Anders als bei jedem Tier.
Doch wir beide wissen - du bist kein schlechter Mensch.
Da wo deine Eltern versagten, war dir Liebe in Aktion beizubringen, einzugehen in die Verbindung und ihre Essenz.
Viele haben gelernt die Augen zu verblinden
vor dem, was weh tut - weil schon so viel schmerzt.
Um dann im unklaren Sichtfeld anderen die Münder zu verbinden,
aus Einsamkeit und Wut - falls diese andere groß macht & stärkt.
Lass einen Perspektivwechsel dazugesellen,
um alles zu ändern, brauchst du es dir doch nur vorzustellen.
Stell dir vor
Du bist ganz neu auf der Welt, ein kleiner Riese
und hier ist Kindsein einfach mal die Devise.
Wie geht es weiter?