Endling, das ist die:der letzte der eigenen Art. Eine seltene Schnecke, ein Vogel, ein Käfer: Ist nur noch ein Exemplar übrig, dann ist es klar, dass es das war mit der Art. Neben viel diskutierten Szenarien steigenden Meeresspiegeln und Extremwetterphänomenen und Pandemien ist das sukzessive Artensterben ein Nebeneffekt des Klimawandels.
Für die Biologin Zoe ist das Artensterben allgegenwärtig. Denn unter den Insekten, die sie untersucht, finden sich immer mehr Endlinge – oder Arten, die direkt komplett von der Bildfläche verschwinden. Und auch andere Wissenschaftler:innen haben damit zu kämpfen, dass ihre Forschungsobjekte immer weniger werden. Und den Biolog:innen, die auf diesen Umstand hinweisen, geht es genauso.
Denn trotz Artensterben, schwindender Biodiversität und nicht enden wollender Hitze zerstört die Menschheit den Planeten Erde fröhlich weiter. Angeführt von nationalistischen Parteien, die sich immer weiter radikalisieren, will ein großer Teil der Deutschen jedoch nichts davon hören, dass sie selbst für ihren Untergang verantwortlich sind. Und die Arroganz hört an dieser Stelle nicht auf. Mit der Zerstörung der Natur geht auch eine Zersetzung der Gesellschaft einher. Der Rechtsruck in Deutschland hat zugenommen, Schwangeren ist es verboten, abzutreiben, Verhütungsmittel sind ebenfalls nicht gestattet und wenn Stellen gekürzt werden, sind vor allem BIPOCs und FLINTA betroffen. Wer nicht der weißen, männlichen Norm entspricht, der fliegt besser unter dem Radar.
Das hat Zoes Tante Auguste perfektioniert. Die brillante Biologin lebt mit Zoes Schwester Hanna und ihrer Mutter zusammen und verlässt das Haus nicht mehr. Zu viele Keime, zu viele Pandemien lauern vor der Haustür. Als ihre Mutter eine Kur antritt, bleibt Zoe also nichts anderes übrig, als selbst nach Frankfurt zu ziehen und auf ihre pubertierende Schwester und hypochondrische Tante aufzupassen. Das wäre an sich schon herausfordernd genug. Als Auguste dann aber auch noch den Kontakt zu einer engen Freundin verliert, steht die Welt plötzlich Kopf. Nach einigen Startschwierigkeiten machen die drei Frauen sich auf den Weg, um Augustes Freundin zu retten.
Schnell wird klar, dass Zoe, Hanna und Auguste keinen blassen Schimmer haben, auf was für ein Unterfangen sie sich da einlassen. Auf ihrem Roadtrip gen Süden begegnen die drei Frauen nicht nur Tieren und Menschen, die sie lange nicht zu Gesicht bekommen haben, sondern stellen sich auch ihren ganz eigenen Dämonen, die in der Vergangenheit lauern und nur darauf warten, den Kopf zu erheben.
Jasmin Schreibers Schreibstil macht mit jedem Buch wieder Spaß. Sie baut Sätze, die man fühlen kann und streut nebenher gekonnt biologische Informationen ein. Außerdem kann ich nur immer wieder sagen, wie schön ich es finde, dass sie in ihren Büchern so viel von Zuneigung und Liebe schreibt, ohne sich dabei auf die romantische Liebe zwischen Partner:innen zu beschränken. So quillt auch „Endling“ nur so über vor Charakteren, die kämpfen, erschüttert werden, trauern, sich suchen, finden, halten, erkennen, verstehen, lieben.
Auch wenn ich das Buch sehr gerne gelesen habe, hat „Endling“ hat mich nicht ganz so sehr gefesselt wie „Mariannengraben“ und „Mauersegler“. Immer wieder sind längere biologische Abhandlungen eingeschoben, die mich an ihr Sachbuch „Schreibers Naturarium" erinnert haben. Die Erläuterungen finde ich zwar interessant, aber da ich nicht darauf eingestellt war, haben sie für mich teils den Lesefluss unterbrochen. Aber alles in allem hat es Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Und es ist toll, alte Bekannte wiederzutreffen, die man schon aus den beiden Vorgänger-Romanen kennt. Auch wenn es nur Gastauftritte sind, habe ich mich gefreut, Helle oder Paula zwischen den Seiten wiederzusehen.
Erschienen bei Eichborn Verlag
Autorin / Autor: Karla - Stand: 10. Januar 2024