Re-Place
Autorin: Mirjam Mous
ins Deutsche übersetzt von Verena Kiefer
„Re-Place“ von Mirjam Mous, übersetzt von Verena Kiefer, erzählt in einem spannenden Zeitreisen-Thriller die Geschichte um den sechzehnjährigen Melwin, der die Tötung seines Bruders Otis rückgängig machen will.
Melwin und sein großer Bruder Otis sind „Urban Explorers“, die alte und verlassene Gebäude erkunden und fotografieren. Kurz vor dem Besuch im „Jägerhaus“ wird Otis überfahren und stirbt, mutmaßlich absichtlich und durch eine Person, die eigentlich längst nicht mehr lebt.
In seiner Verzweiflung macht sich Melwin am nächsten Tag allein auf den Weg zum Jägerhaus und entdeckt dort einen Zeittunnel, der ihn 45 Jahre in die Vergangenheit bringt. Er versucht, den Täter zu finden und den Mord rückgängig zu machen. Dabei verändert er unabsichtlich einiges mehr in seiner Zeit.
Die Geschichte spielt in den Sommern 1977 und 2022 in den Niederlanden, kurz nach dem Umzug der Familie Martina aus Belgien. Melwin reist durch die beiden Zeiten, bleibt dabei jedoch mehr oder weniger derselbe. Besonders spannend ist dabei der Gedanke, dass Melwins erlebte Biografie teilweise nicht mehr zu der neuen Realität passt, die er durch Veränderungen im Jahr 1977 erschafft. Seine Erinnerungen bleiben die aus der „alten Realität“.
Die Handlung ist äußerst dramatisch, was unter anderem bereits an den spannungsgeladenen Themen Zeitreisen, Mord und Urban Exploring liegt.
Die Geschichte ist im Präsens erzählt. Die Sätze und Kapitel sind kurz, was zu einem hohen Tempo beiträgt. Die Ich-Perspektive sorgt für eine nur geringe Distanz zu Melwin.
Otis lernen wir fast ausschließlich durch Melwins Erinnerung und Gedanken kennen. Auch wenn Otis tot ist, begleitet er Melwin auf seinem Abenteuer, gibt Hinweise und kommentiert das Geschehen.
Es ist interessant, dass wir mit Melwin zusammen weiterdenken können, was passiert wäre, wenn andere Entscheidungen getroffen oder andere Ereignisse eingetreten wären. Das passiert natürlich vereinfacht, was sowohl in der Zielgruppe als auch im Umfang (ca. 300 Seiten) begründet liegt. Oft wären nicht die Ereignisse eingetreten, die Melwin sich gewünscht hätte, was einerseits sowohl resignierend als auch für Melwins Gewissen beruhigend ist.
Zur Übersicht können Melwins Logbucheinträge am Ende komplexer Kapitel hilfreich sein, denn sie fassen die Handlung gut zusammen.
Auch Zwischenmenschliches klingt an. So erfahren wir aus einem Tagebucheintrag von Otis, dass er teilweise schon etwas genervt war von Melwins Anhänglichkeit, was dieser ganz anders wahrgenommen hat.
Melwins Mutter hingegen verliert sich in ihrer Trauer. Wenn er nicht Halt und Hoffnung in seinen Zeitreisen finden würde, wäre es traurig mit anzusehen, wie sich beide keinen Trost geben könnten und sie sich und ihren Sohn vernachlässigt.
Im Finale wird die Spannung noch einmal gesteigert. Es werden menschliche Abgründe aufgezeigt und am Ende trifft Melwin eine gute (und angesichts der Zielgruppe wohl einzig mögliche) Entscheidung.
Auch ein weiteres wichtiges Thema klingt an: Beim Erwachsenwerden sollte man sich nicht nur von den Eltern ein Stück weit lösen, sondern auch von den Geschwistern. Es wird angedeutet, dass es wichtig ist, sich gegenseitig Freiräume zuzugestehen und dass man trotzdem liebevoll verbunden bleiben kann.
Den relativ schlichten Sprachstil fand ich ansprechend. Jugendsprache wird nur angedeutet durch Formulierungen wie „Nervt mich hart“.
Durch die ungewöhnliche Namensgebung bleiben die Charaktere sicherlich länger im Gedächtnis.
Das Buch bietet ein kurzweiliges, spannungsgeladenes Abenteuer und eine gelungene Kombination aus Science-Fiction und Thriller.
Erschienen bei Arena
Autorin / Autor: Claudia B. - Stand: 25. Oktober 2024