Schöner sterben
Schweizer Studie analysierte Fotos von Agenturen zum Thema Sterben und Palliativpflege. Sie geben ein sehr beschönigendes Bild wieder
Der Tod ist in den westlichen Gesellschaften ein Tabuthema. Niemand möchte gerne an die eigene Sterblichkeit oder die von geliebten Menschen erinnert werden. Wenn es also um das Sterben und totkranke Menschen geht, dann wird häufig beschönigt, was das Zeug hält.
Die Forscher:innen Gaudenz Metzger und Tina Braun haben im Rahmen des interdisziplinären SNF-Projekts «Sterbesettings» untersucht, wie das Sterben auf kommerziellen Bildern dargestellt wird. Dafür haben sie 600 Stockfotos (Bilder von professionellen Bildagenturen) zum Thema Palliativpflege (Pflege am Lebensende todkranker Menschen) gesichtet. Dabei beobachteten sie eine sehr stereotype Vorstellung vom Sterben: Friedlich dreinblickende, weiße und weiß gekleidete alte Menschen in lichtdurchfluteten Räumen, denen von jungen hübschen Pflegekräften die Hand gehalten wird, gehören dabei zu den wiederkehrenden Motiven.
Die Forscher:innen kritisieren, dass solche Bilder eine falsche Vorstellung vom Sterben transportieren: «Den Betrachtenden soll wohl vermittelt werden, dass das Lebensende nichts Schlimmes ist», so Metzger. In seiner Interpretation verkörpern die Stock-Fotos das Ideal eines guten Sterbens in der Palliativpflege. Diese Vorstellung eines friedlichen und schmerzfreien Todes im Schoss der Familie sei in der westlichen Welt weit verbreitet.
Aber auf solchen Bildern würden jedoch viele Aspekte des Sterbens komplett ausgeblendet - etwa Trauer, Angst und Schmerzen. Man sehe nicht, dass die sterbenden Menschen schwer krank sind, es fehlen die üblichen medizinischen Aparaturen und Pflegematerialien.
Auch die Darstellung, dass Pflegende immer jung, attraktiv und weiblich sind und außerdem ständig Zeit für Umarmungen und Händchen halten haben, ist eine, die mit der Realität wenig zu tun hat und über die Pflegende darum auch nicht unbedingt glücklich sind.
«Die Diversität des Personals und der Sterbenden ist überhaupt nicht repräsentiert», so Metzger. «Es sterben doch beispielsweise auch junge Leute.» Und auch viele ältere Menschen (und auch Männer) sind in Pflegeberufen tätig.
«Natürlich ist es problematisch, wenn das Sterben als Schreckgespenst dargestellt wird. Aber es ist genauso problematisch, wenn es extrem beschönigt wird», sagt Metzger. «Die einseitige Darstellung weckt gewisse Vorstellungen, die in der realen Welt kaum erfüllt werden können.» Die Enttäuschung könne zu Konflikten bei der palliativen Versorgung führen, etwa wenn das Personal einmal keine Zeit hat oder die Ausstattung der Zimmer weniger heimelig ist.
Die Forschenden plädieren deshalb für eine ausgewogenere Darstellung der Palliativpflege, die Stereotype vermeidet und auch schwierige Aspekte des Sterbens nicht völlig ausklammert. Mitautorin Tina Braun arbeitet derzeit für ihre Doktorarbeit an einer Bildsprache mit mehr Nuancen.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 1. September 2023