Tinashe - Aquarius

Weniger ist mehr!

CD-Cover

Tinashe Jordan Kachingwe, die am 06.02.1993 in Lexington, Kentucky, geborene US-amerikanische Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin, war Mitglied der fünfköpfigen Girlgroup "The Stunners", bevor sie sich dazu entschloss, eine Solokarriere als Sängerin mit ihrem Debütalbum "Aquarius" im Jahr 2014 zu starten und das als Kontrapunkt zu ihrer bisherigen musikalischen Laufbahn zu setzen. Die Single-Auskopplung "Aquarius" landete sodann auf Platz 17 der US-Charts, und "2 On" war immerhin 24 Wochen lang auf Platz 24. In Deutschland konnte sie nicht so durchstarten; es blieb bei Platz 54 mit Usher.

Manch einer von uns kennt sie aus ihrer Gastrolle bei "Two and a Half Men". Doch was ist der Grund dafür, dass sie in Deutschland nicht so hoch in die ersten Plätze vordringen konnte, ja nicht einmal in den USA so erfolgreich wurde, trotz der vielen prominenten Rapper und Sänger auf ihrem ersten Album? Der Grund könnte gerade darin liegen - so paradox es klingen mag - dass gerade diese Features dazu beigetragen haben. Hier bewahrheitet sich der alte Spruch: "Zu viele Köche verderben den Brei!"
Das Cover ist so gehalten, dass ein Wiedererkennungswert da sein sollte, um auf ihrem bisherigen Bekanntheitsgrad aufzubauen. Doch genau das ist auch das Dilemma: Tinashe will nicht mehr das kleine Girly darstellen, sondern sich als heranreifende Sängerin positionieren. Genau hier an der Stelle hätte sie bereits den Mut aufbringen müssen, das Album als eine Einheit zu sehen -in jeder Beziehung - und das Coverbild sowie das in Weiß gehaltene im Innenteil der CD durch zwei andere zu ersetzen, die auch den restlichen, dunkel gehaltenen Bildern entsprechen (auch von derem Artstyle), welche sie auch anders -nicht anziehend-sexy, sondern elegant-sinnlich darstellen. Den Anspruch aus der Girlygroup-Ecke heraus zu treten und ernst genommen zu werden, konnte sie so nicht ganz erfüllen; auch, weil ihre Sprache (Text) noch zu straßengangmäßig klingt. Das Corporate Design, könnte man sagen, entspricht hier nicht der Corporate Identity, oder anders: Form und Inhalt stimmen nicht überein.
Hier hätte sie etwas mehr Wagnis und Rückgrat zeigen und in die Vollen gehen sollen; sowohl stimmlich als auch im Hinblick auf Textinhalt und Musik.
Es passt oft einfach nicht zusammen. Man kann nicht mit sanfter Pieps-Stimme in "Far Side Of The Moon" vorwurfsvolle, ernste Passagen singen und glauben, man könne das mit harten, lauten Trommeln und "Hey!"-Gesängen ausgleichen. So funktioniert das leider nicht. Hier hat der Text ihrer Stimme mehr Härte und stimmgewaltige Schärfe abverlangt, die sie auszudrücken anscheinend noch nicht imstande ist. Dies kann auch daran liegen, dass man als Sängerin nicht gleich eine 180°-Drehung hinsichtlich der Art zu Singen hinbekommt.

Man hört dem Album bedauerlicher Weise noch an zu vielen Stellen an, dass sie einer Girlgroup entsprungen ist, in der es ausreichte, die Wörter zu hauchen und zu stöhnen, statt zu singen. Sie sollte Gesangsunterricht nehmen, um die Feinheiten ihrer Stimme auszubilden und auch ihr Potential voll auszuschöpfen. Madonna war sich - obwohl damals bereits seit Jahren berühmt - dafür auch nicht zu schade! Tinashes Soloalbum hat ihr mehr abverlangt, als sie derzeit stimmlich und textinhaltlich zu geben vermag. Dies sei auch ihrer Jugend von nur 21 Jahren geschuldet. Auch viele der Interludes halte ich für überflüssig, um nicht zu sagen sogar kontraproduktiv und die Schönheit ihrer Stimme und dieses Albums mordend. Die Features wirken aufgesetzt, gezwungen und derart störend, dass sie die Klangharmonie der Songs zerstören und nicht mehr wie eine Bridge im wahrsten Sinne des Wortes wirken, sondern nur noch als Fremdkörper vom Hörer wahrgenommen werden.

Also, liebe Tinashe, besinne dich lieber auf deine eigene tolle Stimme, denn die hast Du und die zeigst Du auch ganz klar in Songs wie "How many times", "Pretend", "Indigo Child", "Far Side Of The Moon" und ausdrucksstark in "Bated Breath". Manches Mal zeigt ihre Stimme sogar das Potential, so gut wie die bei Rihanna zu werden. Hier heißt es für sie dran arbeiten und am Ball bleiben. Keinesfalls sollte sie den Fehler begehen, bei ihrer zweiten CD wieder zu laute Musik zu wählen, die nur ihre helle Stimme übertönt. Denn das Album wirkte an sich sonst sanft und entspannend. Auch der oftmals fürchterliche - sorry, aber es ist so! - Mix von zu vielen Melodien, die fast parallel laufen, wirkt anstrengend und unharmonisch auf den Hörer. Auch hier: Weniger ist mehr! Lieber eine solide Grundmelodie in Variationen, als solch ein musikalisches Farbkastenexperiment, das nur in die Binsen gehen kann!

In "Cold Sweat" ist das Gitarren-Intro maga-überflüssig und ohne jeglichen Bezug zur nachfolgenden Melodie, ebenso das Ende bei "Pretend" - die schräge Melodie passt nicht zum Lied. In "Indigo Child", "Far Side Of The Moon" und "Wildfire" endlich die ersehnte musikalische Dreifaltigkeit: Text, Musik und Stimme bilden eine Einheit - noch dazu eine erstaunlich gute. Geht doch!! Bei "Bated Breath" hätte sie es beim Klavierende belassen und diese wunderschöne (!) Musik, nicht durch die nachfolgende Melodie zerstören sollen. Und, welche Enttäuschung: Der Beginn von "The Storm" verspricht, was es letztlich nicht hält: Ein toller Anfang, der nach mehr riecht und aus dem heraus man einen Song hätte entwickeln können. Töne, die einfach traumhaft entspannend sind und dennoch etwas Spannendes musikalisch erwarten lassen. Die Erwartungshaltung des Hörers wird hier abrupt enttäuscht, schade!

*Fazit:*
Weniger bis gar keine Features für die Zukunft wären sinnvoll und für dieses Album besser gewesen. Das insgesamt 18 Tracks umfassende Album könnte locker auf 12 - 14 zusammengestrichen werden und dabei an Klasse gewinnen. Auch wäre der Abdruck der Songtexte nicht verkehrt gewesen, zumal man sie oft nicht versteht...(hauch) ;-). Durch die viel zu laute Hintergrundmusik, die verzerrenden Melodienmixe sowie die unnötigen und unpassenden Intermezzi entdeckt man erst nach mehrmaligem Reinhören interessante Bridges und Strukturen, die einem beim ersten Mal glatt entgangen sind. Das und die mangelnde Einfachheit und Eingängigkeit der Melodien machen es dem Hörer schwer, sich auf das Album einzulassen und "Ohrwürmer" zuzulassen, die man auf der Straße trällern könnte... Das wiederum schadet nicht nur einem Aufstieg in den Billboard-Charts, sondern auch Tinashes Aufstiegschancen und Wandlung zu einer reifen Sängerin. Es fehlt ihr - dies zeigen die Texte - schlichtweg an Lebenserfahrung und menschlicher Reife, die sie altersbedingt auch nicht haben kann. Der Brunnen muss erst voll werden, bevor man aus ihm Wasser schöpfen kann. Aus einer seichten Stelle kann kein Urquellwasser gewonnen werden. Aber das wird schon, da bin ich mir sicher! Dennoch: Für ein erstes Album zeigt es große stimmliche Ausbaufähigkeit und den Mut, aus gewohnten musikalischen Strukturen auszubrechen und Neues zu wagen. Es ist ein Album, das größtenteils als entspannende Lounge-Musik genutzt werden kann, zumal man die Texte oft ohnehin nicht versteht ;-). Wird Tinashe weiterhin an sich so arbeiten, steht einer zweiten Rihanna nichts im Wege. Hoffen wir dann nur, dass ihr der Erfolg nicht ebenso zu Kopf steigt!

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Autorin / Autor: Roswita - Stand: 29. Dezember 2014