Upps, der Gorilla ist mir entgangen
Studie: Warum wir Unerwartetes übersehen
Hast du die gesehen? Was anderen sofort ins Auge sticht, geht an uns manchmal ungesehen vorbei. Unsere Aufmerksamkeit ist leider doch nicht unbegrenzt. Da kann man auch schon mal einen Gorilla übersehen. Das haben die Forscher Christopher Chabris vom Union College und Daniel Simons von der University of Illinois bereits in mehreren Experimenten zeigen können. In einer aktuellen Studie haben sie nun die Glaubwürdigkeit eines Polizisten untersucht. Während einer Verfolgungsjagd will er eine Auseinandersetzung übersehen haben, an der er direkt vorbeigelaufen ist.
*Blind für das Offensichtliche*
Mittlerweile bekannt ist das Gorilla Experiment. Ein Video zeigt einen Gorilla, der durch das Bild läuft, während sich eine Gruppe von Basketballspielern den Ball zupasst. Der unerwartet auftauchende Gorilla stoppt in der Mitte des Bildes, blickt in die Kamera, klopft sich auf die Brust und verlässt wieder die Szene. Dieses Video zeigten die Forscher Testpersonen. Sie sollten die Anzahl der Pässe weiß gekleideter Spieler zählen und die derjenigen in schwarz ignorieren. Das Ergebnis: die Hälfte der StudienteilnehmerInnen war so auf ihre Aufgabe konzentriert, dass sie den Gorilla übersah. Die Testpersonen zeigten sich selbst überrascht und waren der festen Überzeugung, dass sie den Gorilla gesehen hätten, wenn einer dagewesen wäre. Dieses Phänomen bezeichnen die Forscher als Unaufmerksamkeitsblindheit: wenn man sich auf etwas Anderes konzentriert, wird man blind für das Offensichtliche.
Zu unrecht verurteilt?
Ein realer Fall aus dem Jahre 1995 regte die Forscher zu einem weiteren Experiment an. Der Polizeibeamte Kenny Conley war damals zu 34 Monaten Haft verurteilt worden. Bei der Verfolgung eines Verdächtigen ist er an Kollegen vorbeigelaufen, die einen mutmaßlichen Mörder, der sich später allerdings als Undercoveragent herausstellte, brutal zusammenschlugen. Die Richter waren der Meinung, dass Conley den Vorfall nicht übersehen haben kann.
Über zehn Jahre später stellten Chabris und Simons die Szene in einem aktuellen Versuch nach. Sie beauftragten die Testpersonen, einem Forscher mit etwa zehn Metern Abstand hinterher zu jagen. Währenddessen sollten sie zählen, wie oft der „Flüchtige“ seinen Kopf berührte. Auf ihrem Weg kamen die Testpersonen an einem simulierten Kampf vorbei. Dieser befand sich in etwa acht Metern Entfernung vom Gehweg, den sie passierten. „Wir haben versucht, eine ähnliche Situation zu schaffen, wie Conley sie erlebt hat. Zwei Studenten (Schauspieler) schlugen augenscheinlich einen dritten zusammen. Sie traten auf ihn ein und brüllten herum“, sagt Chabris.
Den ersten Versuch führten die Forscher bei Nacht durch und wiederholten das Experiment bei Tageslicht. „Bei Nacht, zu der Zeit, als auch der Polizist Conley seinen Vorfall hatte, bemerkte nur ein Drittel aller Testpersonen den Kampf am Rande“, sagt Simons. „Am Tage übersahen immerhin noch 40 Prozent das Geschehen“.
Die Forscher konnten durch ihre Experimente zeigen, dass unsere Aufnahmefähigkeit begrenzt ist. Je mehr wir uns auf eine Sache konzentrieren, umso weniger bekommen wir andere Geschehnisse um uns herum mit. Auch wenn sie seine Unschuld damit nicht beweisen können, halten Chabris und Simons die Aussage des Polizisten für durchaus glaubhaft. „Die Studie zeigt, dass man selbst unter weniger fordernden Bedingungen als sie der Polizist erlebt hat, so etwas Auffälliges wie einen Kampf übersehen kann“, sagt Daniel Simons.
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung; - Stand: 9. Juni 2011