Wie schlimm ist ein abgebrochenes Studium wirklich?

Viele haben eins und noch mehr reden drüber – und alle haben eine Meinung dazu: ein abgebrochenes Studium. Aber wie schlimm ist es wirklich? Alena ist für euch in der Chemiebranche unterwegs und hat dazu einige Eindrücke gesammelt!

Hi! Ich bin Alena und ich betreue unter anderem die Ausbildungsseite https://www.chemie-azubis.de/ und deren Social-Media-Kanäle. Dafür bin ich teilweise sogar deutschlandweit in Betrieben der Chemiebranche unterwegs. Das sind alle Betriebe, die einem Chemieverband in seinem Gebiet angehören. Diese Betriebe verpflichten sich, den Chemietarifvertrag auf die Ausbildung anzuwenden. Trotzdem könnten die Betriebe und die Branche nicht unterschiedlicher sein. Das fängt von Unterschieden von Produktions- zu Verwaltungsangestellten an und endet in der Vielfalt der Branche, von Pharma über Kunststoff zu Grundchemikalien.

Hi, ich bin Alena und in der Chemiebranche unterwegs

Bei meiner Arbeit komme ich immer wieder mit Ausbilder:innen, Personalverantwortlichen, Azubis und allen möglichen Mitarbeitenden aus der Branche zusammen. Mit ihnen unterhalte ich mich über verschiedenste Dinge im Arbeitsleben – aber ganz besonders viel natürlich über die Ausbildung. Dabei treffe ich auf unterschiedliche Meinungen und überraschende Aussagen.

Eins der vielleicht kontroversesten Themen ist das abgebrochene Studium. Dachte ich zumindest. Rund 30 Prozent der Studierenden brechen ihr Bachelorstudium ab. Die meisten davon in den ersten beiden Semestern.

Kulturschock Uni

Dieses Szenario wirst du vielleicht kennen: du hast Abitur gemacht oder bist noch dabei und danach sollst du natürlich studieren. Ist ja klar. Sonst könnte man sich die Mühe ja auch sparen, oder?

Tatsächlich denken so viele Eltern. Und bestimmt auch einige von euch. Verständlicherweise. Aber was man dabei übersieht, sind die vielen tollen Möglichkeiten, die sich auch ohne Studium ergeben können. Und ein Studium kannst du auch nach einer abgeschlossenen Ausbildung machen oder berufsbegleitend. Auch hier gibt es mittlerweile unzählige Möglichkeiten.

Vor allem ist das Studium nicht für jede und jeden etwas. Denn es ist etwas ganz anderes als die Schule. Das kann gut sein. Aber auch schlecht. Denn für ein Studium braucht man sehr viel Disziplin, und ich kann dir die Illusion nehmen: Nur, weil man den Studiengang interessant findet, heißt das nicht, dass dir die Aufgaben leichter fallen werden, und erst recht nicht, dass man nur das lernt, was einen interessiert. Denn vor allem im Grundstudium kommen oft Fächer dazu, die mit dem eigentlich gewählten Studiengang nichts zu tun haben.

Und außerdem sind Klausuren viel umfangreicher und oft auch viel schwieriger als alles, was ihr in der Schule bisher gemacht habt. Ich nenne dir einmal ein Beispiel: Ich hatte im Abitur schon eher Glück mit meinen Fächern, aber ich habe für meine erste Uniklausur mehr gelernt als für alle meine Abiprüfungen zusammen. Und das war nur eine Klausur von 7, die ich im ersten Semester schreiben musste.

Die Uni kann also ein ganz schöner Kulturschock sein. Und vor allem findet sie in großen Teilen und in vielen Studiengängen komplett gesondert vom eigentlichen Arbeitsleben statt. Praktika, in denen du herausfinden kannst, was genau du eigentlich nach dem Studium machen wirst, finden oft erst in späteren Semestern statt. Es ist also eigentlich kein Wunder, dass viele dann irgendwann merken, dass der gewählte Studiengang gar nicht zu den eigenen Vorstellungen passt. Und eigentlich finde ich das sehr reflektiert und auch mutig, denn in das Studium ist dann unter Umständen schon viel Zeit und Arbeit geflossen.

In der Uni überkommt einen schnell das Lernchaos (Bild: kaboompics)

Vom Loser zum Vorzeigeazubi

Trotzdem habe ich schon die Aussage gehört, dass Bewerber:innen, die ihr Studium abgebrochen haben und nun lieber eine Ausbildung machen wollen, Loser seien. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde diese Aussage richtig, richtig dumm. Und bevor ich nun hier irgendwen verunsichere. Zum Glück sehen das ganz viele Ausbilder:innen und Personaler:innen genau wie ich.

Ich habe sogar gemerkt, dass ich bei meiner Arbeit super oft auf Azubis oder frisch Ausgelernte treffe, die erst einen anderen Weg eingeschlagen haben. Und genau die sind oft sehr gut in ihrer Ausbildung und werden auch gerne als „Vorzeigeazubis“ genutzt, weil sie so professionell sind. Wenn ich mich mit ihnen unterhalte, dann merke ich oft, dass sie ganz genau wissen, was sie wollen, sehr diszipliniert sind und vor allem auch ihre Leidenschaft in ihrem Ausbildungsberuf gefunden haben.

Und das bestätigen mir auch die Ausbilder:innen oft. Sie sagen eigentlich einstimmig, dass sie Studienabbrecher:innen sehr gerne nehmen, weil diese verlässlich, diszipliniert und ehrgeizig sind, seltener die Ausbildung abbrechen oder schleifen lassen und später auch oft an Weiterbildungen interessiert sind. Gute Chancen also, wenn ihr merken solltet, dass ein Studium einfach nichts für euch ist. Mir fällt auch immer mehr auf, dass viele Azubis älter sind, weil sie eben erst andere Dinge ausprobieren und erst auf dem zweiten oder dritten Weg zur richtigen Ausbildung finden. Du brauchst also auch keine Angst haben, dass du vielleicht „zu alt“ für eine Ausbildung bist.

Bücher oder Hands-On? Nicht jede:r muss studieren! (Bild: Theotherkev/ Pixabay)

Zweite Chance

Alles in allem kann ich sagen, dass alle Ausbilder:innen, die ich getroffen habe, durchweg positiv gestimmt waren, wenn es um das Thema Ausbildung als zweite Chance ging. Trotzdem solltest du dir natürlich Gedanken machen, wie du deine Motivation, deinen bisherigen Weg und die Entscheidung, das Studium abzubrechen begründest. Sonst könnte es sein, dass du als sprunghaft abgestempelt wirst und die Zuständigen im Unternehmen die Chancen zu groß sehen, dass du auch die Ausbildung abbrechen willst. Überlege dir also vorher genau, welcher Ausbildungsberuf es sein soll und wie du -angesprochen auf den Studienabbruch – reagierst.

Hier einmal alle Vorteile trotz abgebrochenem Studium

  • Du hast Erfahrung: So oder so hast du wichtige Erfahrungen gesammelt.
  • Du weißt, was du willst: Und hast nicht irgendeinen Job gewählt, den du eigentlich nicht machen willst.
  • Du hast Ehrgeiz: Jetzt, wo du deinen Traumjob kennst, hängst du dich voll rein.
  • Du kannst schon was: Eventuell kannst du deine Ausbildung durch deine Vorkenntnisse verkürzen.

Ich hoffe, ich konnte dir die Angst etwas nehmen. Es ist nicht normal und selbstverständlich, dass man direkt nach der Schule und auf den ersten Versuch weiß, womit man den Großteil seines Lebens verbringen will. Denk aber immer dran: Du musst nichts für immer machen. Du hast also die Möglichkeit, abzubrechen, eine Ausbildung zu machen, danach noch ein Studium oder eine Weiterbildung zu machen und vielleicht irgendwann nochmal eine Umschulung. Du kannst das Studium auch durchziehen und danach trotzdem was anderes machen. Es gibt so viele Möglichkeiten und verschiedene Wege. Keiner davon ist schlecht oder weniger wert!

Manchmal macht ein Neuanfang einfach glücklicher. (Bild Chu Viết Đôn auf Pixabay)

P.S.: Du interessierst dich für eine Ausbildung? Dann schau gerne mal auf Insta auf unseren Kanal chemie_azubis, dort findest du jeden Monat einen neuen Beruf im Fokus!

Mehr Blogartikel zum Thema

Kennst du die Chemiebranche?

Mehr Informationen über Berufe, Bewerbung und Betriebe findest du auf dem Chemieblog

Wie gefällt dir der Blogbeitrag?

Autorin / Autor: Chemie Azubi - Stand: April 2025