Um seine Wahrnehmung zu verbessern, muss man nicht immer am realen Objekt arbeiten. Manchmal reicht es auch, sich etwas nur vorzustellen, um seine Sinne zu trainieren. Zu dieser Erkenntnis ist die junge Forscherin Elisa Tartaglia der Eidgenössischen Hochschule Lausanne gekommen. Für ihre Studie ließen Tartaglia und ihre Kolleginnen Testpersonen Strichmuster bewerten. Drei Striche waren darauf zu sehen, wobei der mittlere Strich - kaum wahrnehmbar - mal weiter links, mal weiter rechts zu sehen war. Die Testpersonen konnten mit viel Übung ihre Wahrnehmung so trainieren, dass sie diese Links-Rechts-Abweichungen mit der Zeit immer treffsicherer erkannten. Eine andere Testgruppe sollte sich den mittleren Strich allerdings lediglich vorstellen. Ein Ton gab dabei an, ob sie sich den Strich etwas weiter links oder rechts vorstellen sollten. Auch diese Testpersonen hatten nach diesem mentalen Training ihre Fähigkeit deutlich verbessert, die Position einer realen Linie richtig einzuschätzen.

Lernen dank Vorstellungskraft

Bisher wurde in der Forschung davon ausgegangen, dass eine solche Wahrnehmungsschulung ein langwieriger Prozess ist, der nur durch ganz reale physische Reize von statten gehen kann. Die Forscherin hat gezeigt, dass auch die bloße Einbildungskraft zu einer Veränderung im Gehirn und damit einer verfeinerten Wahrnehmung möglich ist. Das ist besonders interessant für Berufe, in denen es darauf ankommt, kleinste visuelle Abweichungen erkennen zu können. Radiologen etwa, die Röntgenaufnahmen bewerten müssen, könnten durch die bloße Vorstellung einer Anomalie üben, eine solche auch in Wirklichkeit besser erkennen zu können.
Und natürlich ergeben sich daraus jede Menge andere Anwendungsmöglichkeiten. So könnte man wunderbar auf dem Bett liegend schon mal für die praktische Fahrprüfung üben oder sich auf einen Eignungstest vorbereiten, wo visuelle Fähigkeiten gefragt sind.