Sensationelle Karotte?
Studie: Jugendliche tun sich bei der Unterscheidung seriöser und unseriöser Gesundheitsbotschaften im Netz schwer
Wie riskant sind Impfungen? Welche Nahrungsmittel sind gesund? Welche Behandlung hilft wirklich? Das Netz ist voller Gesundheitsbotschaften, darunter finden sich seriöse Informationen, fragwürdige Behauptungen oder auch komplette Falschinformationen, die sogar Gesundheitsschädigungen nach sich ziehen können. Gesundheitliche Fehlinformationen sind ein Problem, das die ganze Gesellschaft betrifft, denn Menschen gehen möglicherweise hohe gesundheitliche Risiken ein und verlieren das Vertrauen in Gesundheitsbehörden, wie sich auch in der Corona-Pandemie oft gezeigt hat.
Studienleiter Dr. Radomír Masaryk von der Comenius-Universität (Bratislava, Slowenien) und sein Team untersuchten in einer aktuellen Studie, ob Jugendliche solche Falschnachrichten erkennen und wie sie die Vertrauenswürdigkeit von verschiedenen Gesundheitsbotschaften einschätzen. Welche Elemente lassen in ihren Augen Gesundheitsnachrichten eher unglaubwürdig klingen? Was ist mit Übertreibungen und Superlativen? Grammatikfehlern? Wörter, die durch Fettschrift hervorgehoben werden? Wie sind Quellenangaben einzuschätzen? Und sind sachlich-neutrale Texte vertrauenswürdiger?
Bisher wurden solche Fragen meist nur in Bezug auf Erwachsene untersucht. Weil Jugendliche das Internet intensiver nutzen als die meisten Erwachsenen, hätte man zudem vermuten können, dass sie auch mit verschiedenen Online-Inhalten besonders gut vertraut sind und sie darum gut einschätzen können. Die Studie hat eher das Gegenteil gezeigt.
Die Forscher_innen präsentierten 300 Sekundarschüler_innen (im Alter zwischen 16 und 19 Jahren) sieben kurze Botschaften über die gesundheitsfördernde Wirkung von verschiedenen Obst- und Gemüsesorten, zum Beispiel Karotten. Die Botschaften hatten verschiedene Stufen: gefälschte Botschaft, echte neutrale Botschaft und echte Botschaft mit redaktionellen Elementen. Solche redaktionellen Elemente konnten Superlative sein (z.B. Karotten haben einen außergewöhnlichen Effekt auf Cholesterol), Grammatikfehler, Autoritätsappelle, fette Schrift oder Clickbait. Clickbait sind diese reißerischen Überschriften, die einen verführen, auf einen Beitrag zu klicken, weil sie neugierig machen und die eigentliche Information nicht verraten (so was wie: "Unglaublich: Das können nur Karotten"). Die Teilnehmer wurden gebeten, die Vertrauenswürdigkeit der Nachricht zu bewerten.
Die Teilnehmenden waren in der Lage, zwischen offenkundig gefälschten Gesundheitsbotschaften und echten oder durch redaktionelle Elemente leicht veränderten Gesundheitsbotschaften zu unterscheiden; 48 % der Teilnehmer vertrauten den echten neutralen Gesundheitsbotschaften mehr als den gefälschten. Allerdings hielten 41 % der Teilnehmer gefälschte und echte neutrale Nachrichten für gleich vertrauenswürdig und 11 % hielten echte neutrale Gesundheitsnachrichten für weniger vertrauenswürdig als gefälschte Gesundheitsnachrichten.
Bei Gesundheitsnachrichten, die plausibel und vernünftig erschienen, konnten die Jugendlichen nicht zwischen echten, neutralen Gesundheitsnachrichten und Gesundheitsnachrichten mit redaktionellen Elementen unterscheiden. Die Forscher_innen hatten in vorausgehenden Untersuchungen verschiedene redaktionelle Elemente herausgearbeitet, die bei Lesenden häufig die Glaubwürdigkeit von Nachrichten senken - etwa, wenn Fettschrift verwendet wird, Grammatikfehler auftauchen, ein Link auf eine (vermeintliche) "Autorität" verweist" oder Superlative verwendet werden. Sie sind leicht zu erkennen und erfordern keine besondere Fachkenntnisse. Den jugendlichen Testpersonen fielen solche redaktionellen Elemente bei den präsentierten Gesundheitstexten allerdings wenig auf, sie kreuzten ihre Antworten an, bevor sie die redaktionellen Element wahrgenommen hatten. Die Jugendlichen schienen also nicht auf der Grundlage von redaktionellen Hinweisen über die Vertrauenswürdigkeit einer Botschaft zu entscheiden. Nur bei sogenannten Clickbait Überschriften waren sie überwiegend skeptisch.
Die Ergebnisse zeigen den Forschenden zufolge, dass Jugendliche besser darin unterrichtet werden müssen, redaktionelle Hinweise zu erkennen, die die Qualität einer Information verraten. Die Autor_innen schlagen vor, den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Gesundheitskompetenz und Medienkompetenz sowie auf Fähigkeiten wie analytisches Denken und wissenschaftliches Denken zu legen. Denn dies seien die Fähigkeiten, die helfen, falsche von echten Gesundheitsbotschaften zu unterscheiden, so Masaryk.
Die Ergebnisse wurden in Frontiers in Psychology veröffentlicht.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Presseinformation - Stand: 7. September 2022