Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Ich lief los, so wie ich es jeden Abend tat. Es schneite und die Welt schien gehüllt in ein weißes Kleid, die Welt war des Winters Braut. Mir ins Auge fielen die Bäume und Pflanzen und sie waren entweder nackt und kahl oder vergangen, mir fiel der bemerkenswerte Kontrast zu den Menschen und Tieren auf. Die Menschen waren im Winter eingehüllt in so viele verschiedene Schichten von schwerem Ballast, den sie trugen um sich zu schützen, Tiere, jedenfalls die meisten, bildeten ein Winterfell aus. Doch was geschah mit den Bäumen, sie wurden entkleidet, waren schutzlos, ihrer wunderbaren Schönheit entwürdigt. Mir schien, als drehte der Winter alles einmal um. Nunja, das war nicht der einzige Fall in dem der Winter Merkwürdigkeiten aufwies. Wie auch immer. Ich führte meinen Weg fort. Ich hatte ein klares Ziel, ich wollte die Brücke aufsuchen, welche ich jeden Tag besuchte. Sie gab mir ein Gefühl von Freiheit, Gleichgültigkeit, Entspannung und Schönheit, obwohl sie in einem matten Blau mit einigen Rostflecken doch wirklich speziell wirkte. Als ich das erste Mal über diese Brücke lief, fiel mir gleich auf wie viele Gemütszustände sie mir vermitteln konnte. Ich konnte das eben erwähnte fühlen, aber genauso gut Schmerz, Deprimierung, Hoffnungslosigkeit und das Verlangen nach einem Existenzverlust.
Hier muss ich erwähnen, dass ich um zu testen wie diese Brücke mich beeinflusst, meistens mit Musik auf ihr promenierte. Ich ging, um die Kontraste auszutesten auch einige Male ohne Dionysos Vermächtnis, sprich meiner Musik, auf dieser Brücke.
Das Ergebnis war, dass ich ohne die Musik nichts fühlte, aber die Brücke doch eine bestimmte Atmosphäre vermittelte, da ich so etwas sonst gehend mit Musik auch nicht fühlte. Es war also die Symbiose zwischen Musik und Atmosphäre der Brücke, welche mich dieses einzigartige Gefühlsspektrum fühlen ließen. Das Lied, welches ich speziell auf dieser Brücke hörte war „the end“ von den doors. Immer wenn dieses Lied ertönte, war der Zusammenklang aus Schmerz und Freiheit perfekt. Ich wollte auf dem Brückengeländer balancieren, ich wollte mich vollkommen dem Rausch hingeben, einige Male auch springen, diesen Zustand nie verlieren. Ich lief und lief, die Augen geschlossen., mit dem Körper taumelnd, den Schmerz auslebend, die Freiheit schoss förmlich aus mir heraus. Ich merkte zu diesem Zeitpunkt wieder, wie sehr der Winter die Menschen veränderte, es war auch wirklich schon verdammt lang kalt und grau. Sie schauten mich, als sähen sie einen Magier, einen Schamanen. Sie erblickten mich, als wäre ich magisch. Vielleicht waren sie auch einfach schockiert. Aber ich fühlte mich sehr magisch. Wenn Menschen im Sommer frei sind und sich so benehmen, ist das noch lang kein so großes Problem wie im Winter. Im Winter wollen die Menschen akkurate, anhaltende Betrübtheit und wehe dem, der sich seinen Gefühlen hingibt. Kaum fassbar, dass man im Winter das Fest der Liebe und Wärme feiert- Weihnachten. Nunja als ich dieses wunderbare Gefühl zurücklassen musste und mich wieder dem Heimweg zuwenden musste, überfiel mich die Trauer. Allerdings war ich auch gespannt, was mich zuhause erwarten würde. Als ich Zuhause ankam, war das einzige, was ich auffand, eine angelehnte Tür an einem Haus, das völlig ausgebrannt war. Es war leer, trist und von außen sah es aus wie ein monströses Geschöpf, welches mich beim Eintreten verschlingen würde. Alles war schwarz, verkohlt und teilweise voll Blut, außer eines und dies war die Tür. Diese war nagelneu und erstrahlte in einem Grün, diese Tür ließ mich unweigerlich an einen Smaragd denken. Bevor ich darüber nachdenken wollte, was wohl möglicherweise passiert war, setzte ich mich auf einen halbverkohlten Stuhl der vor dem Haus stand. Ich musste zuerst einige Fetzen eines undefinierbaren Gewebes entfernen, ich wollte auch nicht wissen, was das war. Ich war wie in Trance. Ich fragte mich, was auf dieser Brücke mit mir geschehen war, dass ich bei dem Gedanke meine gesamte Familie verloren zu haben, und vor einem Nichts zu stehen, nicht eine Regung zeigte. Vielleicht waren das die Eigenschaften eines Schamanen, er sollte heilen und nicht geheilt werden, somit war er unverwundbar. Ich rief mir die Menschen in meine Gedanken zurück, welche ich einst auf der Brücke sah. Ich ging schrittweise zurück, da ich die Augen die meiste Zeit geschlossen hatte, war dies recht komplex. Ich erinnerte mich an einen einzigen Moment, mit geöffneten Augen, und an das, was ich sah. Ich sah einen Mann mit Streichholz und ich wunderte mich in diesem Augenblick schon über die Farbe der Flamme, sie war Smaragd-grün, beziehungsweise ging sie in das grün über, sie war zuerst rot dann blau und dann wie erwähnt. Ich ging ein paar Schritte, um diese Absurditäten zu verarbeiten, als ich plötzlich über etwas Widerstand gebendes stolperte, es war eine Leiche, doch selbst das ließ mich kalt. Es ergab alles keinen Sinn, es gab keinen, es würde auch keinen geben. Ich entschied mich, die grüne Tür erneut zu untersuchen, sie lehnte immer noch an dem brüchigen Haus. Ich nahm sie mit beiden Händen und drehte sie, es zeigte sich ein Spiegel, ich schaute in den Spiegel lang und länger. Ich sah Schamanen, Indianer und Schlangen. Ein großes Feuer, ein Lagerfeuer, um welches sie tanzten. Ich sah erneut die Leiche und bemerkte, wie jemand um sie ein Tuch gehüllt hatte, außerdem hatte dieses Tuch einen Schriftzug, Auf dem Tuch stand mit leuchtend roten Buchstaben geschrieben „the music is your only friend“, ein Zitat aus meinem Lieblingssong von den Doors. Ich begriff. Mein Wecker klingelte, im üblich nervenraubenden Ton. Ich stand auf. Alles nur ein Traum. Der Traum vom Leben eines isolierten, musikliebenden Schamanen war verfallen, vergangen und verflogen.
Autorin / Autor: Lues, 16 Jahre - Stand: 14. Mai 2010