Das alte Haus an der Landstraße
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Als ich meine eiskalten Hände an mein Gesicht legte, fühlte es sich heiß an. Ein Schauer nach dem anderen lief mir über den Rücken. Was machte ich hier? Der Wind wehte mir fast die blaue Wollmütze vom Kopf. Mit zwei Fingern konnte ich sie gerade noch festhalten. In der Dunkelheit konnte ich fast nichts erkennen. Schemenhaft beugten sich Bäume aus den Schatten und streckten ihre kahlen Äste nach mir aus. Ich zitterte.
Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen auf der dunklen Straße. Der Boden war feucht und in manchen kleinen Pfützen spiegelte sich der Neumond, der mir von hinten etwas Licht zuwarf. Es war eine dumme Idee gewesen, alleine nach Hause gehen zu wollen. Über eine Landstraße, die kaum befahren war und wo keine Laternen standen. In völliger Dunkelheit tapste ich weiter und schlang mir den Schal fester um den Hals.
Rechts von mir erkannte ich das kleine Landhaus, das seit Urzeiten dort stand und bei Wind immer knarrte. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und beachtete es nicht weiter. Ich war gerade an dem Haus vorbei, als von oben herab dicke Regentropfen auf die graue Straße klatschten. Ich setzte die Kapuze auf und entschloss mich blitzschnell dafür, in dem Landhaus Schutz zu suchen. So schnell ich konnte keuchte ich den Pflasterweg entlang. Schon vom Weiten hörte ich das alte Haus knarren und den Wind um die Hausecken pfeifen. Was machte ich hier?
Unter dem Vordach war es trocken. Mittlerweile zitterte ich am ganzen Körper. Mir war eiskalt. Das Haar hing mir nass ins Gesicht. Ich strich mir wirre Strähnen aus der Stirn und drückte mich an die Hauswand. Links von mir war die eine Hausecke. Es fühlte sich unangenehm an so nah dort zu stehen. Wer wusste schon, ob da nicht ein fremder Mann hervorkam? Ich rutschte weiter in die Mitte des Hauses, zur Haustür. Die Fenster waren kaputt, Glas lag auf dem Weg, das im spärlichen Mondlicht leicht glitzerte.
Es goss aus Eimern. Vor lauter Regen konnte ich kaum bis zur Landstraße schauen. Mit einem lauten Knarren gab die Tür hinter mir nach. Erschrocken sprang ich vor in den Regen und wurde augenblicklich klitschnass. Was war das gewesen? Die Tür stand angelehnt. Panisch sog ich die Luft ein. Wieso war sie offen? Seit Kindertagen hatte ich versucht diese Tür zu öffnen und jetzt war sie von ganz alleine aufgesprungen. Blut pulsierte rasend schnell durch meine Adern. Es war, als würde die Tür mich einladen einzutreten. Ich stupste sie mit einem Zeigefinger an. Sie öffnete sich einen Spalt breit und quietschte unangenehm laut. Was machte ich hier?
Kaum hatte ich mir diese Frage gestellt, schlüpfte ich in das Haus und schloss die Tür hinter mir, die nicht mehr zu ging. Nur anlehnen konnte ich sie. Im Flur des alten Hauses roch es muffig. Die Holzwände waren kühl und der Boden voller Staub, der mir die Tränen in die Augen trieb und mir ein Niesen entlockte. Interessiert schaute ich mich um. Vom Flur gingen drei Holztüren ab. Eine wahrscheinlich in die Küche und eine in ein Wohnzimmer. Die dritte war nur angelehnt, so wie die Haustüre. Ich schlich leise vorwärts und öffnete sie mit einem Ruck, falls jemand dahinter stehen würde. Aber dort war nichts. Nichts außer einer steilen Treppe, die ich nach kurzem Zögern erklomm. Die Tür fiel in ihren angelehnten Zustand zurück. Oben angekommen stand ich auf und blinzelte in das Licht einer Taschenlampe. Ich hob die Hand, um meine Augen abzuschirmen. Mir war warm und das Zittern verschwunden. Der Regen donnerte gegen die Fensterscheiben.
„Ich habe dich schon erwartet“, murmelte eine dunkle Männerstimme und eine Hand erschien vor der Taschenlampe. Ich ergriff sie.
Was machte ich hier?
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Autorin / Autor: Pia, 14 Jahre - Stand: 19. Mai 2010