Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Als ich die Tür öffnete, strich mir ein kühler Hauch über die Haut. Erstaunt blieb ich stehen. Vieles hatte ich schon gesehen, doch so etwas war noch nie dabei gewesen. Fasziniert starrte ich auf den weiten Sternenhimmel, der nun zum Greifen nahe schien. Mit einem Schritt überquerte ich die Schwelle und trat auf das Plateau, das oben auf einer Kilometer hohen Steinsäule lag. Erleichtert sog ich die erfrischende Luft ein und setzte mich auf einen Felsbrocken. Schon immer war ich auf diesen fremden Planeten geflüchtet, wenn die Wände des Internats mich zu erdrücken drohten. Damals hatte ich versucht aus dem Internat, das einer Gefängniszelle glich, zu fliehen. Doch es war gescheitert. Ich hatte nicht wissen können, dass ich beobachtet wurde. Mein Fluchtversuch endete also in einer wilden Verfolgungsjagd, bei der ich die Tür zum ersten Mal sah. Sie war damals nur angelehnt.
Lächelnd bemerke ich die ersten Strahlen des rötlichen Lichtes, die meine Haut wärmten. Die Sonnenaufgänge waren das schönste des Planeten. Die Farben ergossen sich über den Himmel, als hätte jemand den gesamten Himmel mit allen Farben bestrichen, er kannte. Viele dieser Farben gibt es noch heute nicht auf der Erde.
Ich war schon zu lange hier. Also stand ich auf und ging zur Tür. Sie war in einen hohen Felsen eingelassen. Die Tür hatte ich schon geöffnet, als mir eine in den Stein eingehauene Treppe auffiel. Was mochte dort sein? Langsam stieg ich hinauf. Oben war wieder ein Plateau. Ein Lichtstrahl traf auf den Boden. Ich stand auf einer großen Scheibe aus Glas oder einem, mir unbekannten Kristall. Offenbar wurde der Lichtstrahl in der Bodenplatte gebündelt und in einen Raum darunter geleitet. Es kamen immer mehr Strahlen hinzu, bis der Boden unter meinen Füßen strahlte. Schließlich schien so viel Licht auf die runde Bodenplatte, dass sie zu reflektieren begann und ich nichts mehr erkennen konnte. Geblendet verließ ich die Platte und stieg die Treppe wieder hinunter.
Jedoch bemerkte ich sehr schnell, dass es sich bei dieser Treppe nicht um die handelte, die ich hinauf gestiegen war. Allerdings endete auch diese Treppe in einem Plateau. Ich ging zum Abgrund und sah hinunter. „Komm doch herein“, fast wäre ich über die Kante des Plateaus gestürzt. Noch nie hatte ich ein Lebewesen auf dem Planeten gesehen. Nicht einmal einen Vogel hatte ich zwitschern gehört. Langsam drehte ich mich um, auf das schlimmste gefasst. „Ich weiß, dass ich nicht aussehe wie du, also starr mich nicht so an“, sagte die Gestalt, die am Rahmen eines Torbogens lehnte. Die Gestalt war grau und hatte langes, violettes Haar, das fast auf den Boden reichte. Ihr dunkelblaues Gewand floss wie ein Meer aus Samt um sie herum auf den Boden. „Ich heiße Nuben und du?“, stellte sie sich vor. Ihre smaragdgrünen Augen blitzten auf. Ich wusste nicht, was ich von ihr denken sollte und flüsterte meine Antwort: „Ich bin Sally.“ Nuben lächelte sanft. „Ein bisschen erschrocken, oder?“, fragte sie leise. „Aber Angst brauchst du nicht zu haben.“ „Und warum?“, wollte ich wissen. „Ich existiere nicht mehr.“ Mit schnellen Schritten kam sie auf mich zu. „Genau, wie der Planet. Nur du kannst den Planeten vor dem Sterben bewahren, in dem du in die Zeit zurückreist, in der der Planet noch lebte. Ich habe damals versagt. Doch du konntest die Tür ebenfalls sehen.“ Sie war bei jedem Wort etwas näher gekommen. Ihr griff war fest, als sie mich am Arm packte und durch den Torbogen schleifte. „Gehe zu den Makhintas. Sie sind eines der ältesten Völker hier. Sie wohnen in den Urwäldern im Osten. Du erkennst sie an der grünen Haut und an den Flügeln. Gehe zu ihnen und hole die Phiole. Sie würden sterben, würden sie die Phiole berühren. Die Makhintas wissen bescheid. Doch ich warne dich. Sie werden dir erst helfen, wenn du sie im Wald entdeckt hast. Sie wählen nur würdige Menschen, um die Phiole zu mir zu tragen.“ Nachdem sie mir dies eingeschärft hatte, stieß sie mich in ein Becken mit silbern schimmernder Flüssigkeit.
„Beeil dich, du hast nur einen Tag Zeit!“ Die Stimme kam aus dem Nichts. Etwas benommen stand ich auf. In der Nähe war ein Becken mit derselben, schimmernden Flüssigkeit, in die mich Nuben gestoßen hatte. Mir fielen Markierungen an dem Beckenrand auf. Anscheinend zeigten sie die Himmelsrichtungen an. Ich sollte in Richtung Osten gehen, hatte Nuben gesagt. So fing ich an zu wandern. Immer geradeaus lief ich, über saftige Wiesen und durch lichte Wälder.
Ungefähr zur Mittagszeit erreichte ich einen weiteren Wald. Er war dichter und es schien nur sehr wenig Licht bis auf den Boden. Lange irrte ich zwischen großen, fremdartigen Bäumen umher, bis ich beschloss, einfach still zu sitzen und zu warten. Es hatte keinen Sinn, weiter zu laufen. Ich wusste nicht, wie ich zurückkommen sollte, außerdem war ich vom vielen Laufen erschöpft.
Langsam brach die Dämmerung herein und ließ mich mit den Schatten verschmelzen. Fast wäre ich eingedöst. Doch dann fielen mir zwei kleine Lichtpunkte auf. Ich versuchte mich heran zu schleichen, doch der Schlaf versuchte immer noch, mich mit seiner stillen, traumlosen Ruhe zu umhüllen. Plötzlich stieß ich einen spitzen Schrei aus. Ich war mit irgendetwas Lebendigem zusammengestoßen. Zwei Hände mit langen Krallen hielten mich am Arm fest. Dann betäubte mich ein Schlag auf meinen Hinterkopf.
Das erste, was ich sah, als ich aufwachte, war Nuben. „Mir tut leid, dass die Makhintas so rabiat mit dir umgegangen sind. Aber du hast sie gefunden, sie haben dir die Phiole gegeben und dich zu mir gebracht. Diese Flüssigkeit wird den Planeten retten“ Sie träufelte zwei Tropfen der Flüssigkeit in das Becken und zwei in meinen Mund. Ich schluckte und beobachtete, wie sich mein Körper verfärbte. „Du wirst jetzt schlafen. Wenn du aufwachst, bist du eine von uns“, sagte sie noch, bevor ich einnickte.
Zurück konnte ich seit dem nicht mehr. Die Tür war und blieb verschwunden. Doch in das Internat möchte ich auch nicht. Der Planet ist meine Heimat geworden.
Autorin / Autor: Sahara, 12 Jahre - Stand: 14. Juni 2010