Schimmel-Gene und das eigene Schloss
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Ich hatte eine beste Freundin. Deswegen schreibe ich das hier. Ich will nicht sagen, dass jeder einen besten Freund hat, man kennt ja noch mehr Leute, Freunde und so.
Meine beste Freundin hieß Lucy und war ein halbes Jahr jünger als ich. Eigentlich ist es egal wie sie hieß und dass sie jünger war spielt auch keine Rolle. Damals war das Alter nämlich noch egal, damals ging niemand auf Partys und in Discos.
Es ist wie das Schimmel-Gen bei Pferden. Die anderen haben es und werden immer weißer, je mehr Zeit vergeht. Die einen haben es nicht und auf einmal sind alle Türen verschlossen, von denen man davor nicht einmal wusste, dass es sie gab.
Schimmel kommen mit einer anderen Grundfarbe auf die Welt. Das Schimmel-Gen tragen sie jedoch schon in sich. Auch Pferde sortieren sich nach Farben, das ist wirklich so. Man kann das beobachten, wenn man sich einige Zeit bei einer größeren Herden mit verschiedenfarbigen Pferden aufhält.
Menschen sind nur leider keine Pferde. Und vielleicht ist gerade das mein Problem. Pferde sind mein halbes Leben, mehr vielleicht sogar. Aber jede Freundschaft muss gepflegt werden.
Vielleicht bedeutet das auch, dass man Wochenenden zusammen verbringt. Meine Wochenenden gehören den Pferden. Nicht immer, aber immer öfter.
Vielleicht bedeutet Freundschaft, dass man zusammen in den Urlaub fährt. Meine Ferien sind bei den Pferden.
Ich sage nein. Nein, wenn ihr mich fragt. Und irgendwann fragt ihr nicht mehr. Das tut so weh.
Auch wenn ich so tue, als wenn gar nichts wäre. Als wäre alle schön und toll.
Vielleicht gibt es Schiebetüren, aber meistens sind es ganz normale Türen. Und meine gehen nach außen auf. Wenn Wind dort draußen weht, wenn ich nein sage, mal wieder nein, dann werden solche Türen zugedrückt. Und wenn ich sie nicht mehr öffne, dann schließen sie sich.
Aber es stimmt nicht ganz, wenn ich sage, mein Leben besteht aus Pferdezeit. Es gibt ja noch Schule und es gibt Bücher.
Ohne Bücher hätte ich es schon lange nicht mehr ausgehalten. Bücher sind wie Schmerzmittel und sie können trösten. Kafka hat gesagt: Manches Buch wirkt wie ein Schlüssel zu fremden Sälen im eigenen Schloss. Das ist so wahr, in vielerlei Hinsicht.
Ich kann mir mein Schloss vorstellen. Und wenn es nicht mehr auszuhalten ist dort, dann nehme ich ein Buch in die Hand. Bücher können einem andere Welten zeigen. Trösten, ablenken, ein neues zu Hause werden. Bücher können Türen öffnen. Neue Türen, immer wieder. Gerade in Momenten, in denen ich nicht mehr weiß, welche Tür die wichtigste ist. Was überhaupt richtig ist. Woher soll man denn wissen, was richtig ist? Wie soll am sein Leben leben? Wie Freunde und Hobbys unter einen Hut bringen?
Ich hatte eine beste Freundin, verdammt noch mal, und weil ich die ganze Zeit mit irgendwelchen bescheuerten Türen im Gange bin und doch nicht weiß, was ich tun soll/richtig ist, habe den Zeitpunkt verpasst. Hallo? Ich habe verpasst, erwachsener zu werden. Geht das? Gibt es einen Schalter „Ab jetzt mag ich Partys und Discos und Alkohol und überfüllte, mit Betrunkenen gefüllte Räume“?
Vielleicht ist das Selbstmitleid. Aber bei svz bin ich über eine Gruppe gestolpert: „Früher hatte ich Zeit, heute ein Pferd“. Haben die Mitglieder denn nur „Pferdefreunde“ oder fassen sie die Bedeutung des Gruppentitels anders auf?
Vielleicht gibt es kein Schimmel-Gen. Vielleicht hängt alles nur von uns ab. Aber vielleicht nicht. Vielleicht kann man gar nicht anders, würde alles gleich machen, wenn man sein Leben noch einmal leben könnte. Da bin ich nicht die Erste, die sich Gedanken darüber macht.
Ich will nur wissen, wie man mit den ganzen Türen im Leben zurecht kommt, die man nicht einfach mit einem Buch öffnen kann. Wissen, warum es Schimmel-Gene und Nicht-Schimmel-Gene gibt.
Ich will mich entschuldigen.
Für Wege, die man geht, ohne es wirklich zu wollen.
Entschuldigen für angelehnte Tüten.
Und hoffen, dass niemand sie schließt.
So ist es passiert. So oder so ähnlich.
Morgen fahre ich reiten.
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Autorin / Autor: islenski.hesturinn, 17 Jahre - Stand: 15. Juni 2010