Unser Auto fährt langsam auf der Autobahn. Das Radio ist an, und es ist ein ganz normaler Abend im Advent. Im Radio ertönt eine Durchsage: “Achtung, ein Geisterfahrer auf der A8“. Mein Vater starrt entgeistert meine Mutter an und fährt so schnell er kann auf die rechte Straßenseite. Was soll das? Nur weil irgendwo ein Geisterfahrer ist, muss man doch nicht gleich in Panik geraten! Was haben die denn alle? Niemand fährt mehr auf der Überholspur. Können die nicht ein bisschen schneller fahren oder wenigstens Papa auf die Überholspur lassen? Wir wollen doch nach Hause und alles für das baldige Weihnachtsfest vorbereiten.
*Ein Auto rast auf uns zu*
Plötzlich geht alles ganz schnell. Ich kann nur noch Bruchstücke erfassen. Ein Auto rast auf uns zu – alle schreien – Papa versucht auszuweichen – und dann wird mir schwarz vor Augen.
*Was ist passiert?*
Als ich aufwache, liege ich in einem Bett und befinde mich in einem weißen Raum mit Ausblick zu einem Park. Ich schrecke auf. Ich bin im Krankenhaus! Wo ist meine Familie? Ist meinen Eltern etwas passiert? Was ist geschehen? Warum tut mir alles so weh, und warum bin ich allein? Viele Fragen, doch ich kann nur wenige klären. Es ist ein Unfall passiert, wahrscheinlich waren wir auf der A8 unterwegs als der Geisterfahrer kam, aber an mehr kann ich mich ja nicht mehr erinnern! Ich bin den Tränen nahe, aber ich muss versuchen, das Weinen zu unterdrücken, denn die Tür geht auf.
*Schreckliche Nachricht*
Bitte lass es Mama oder Papa sein, bitte! Doch mein Hoffen ist vergebens, ein fremdes Gesicht lächelt mich an. Es ist eine Frau, sie ist weiß gekleidet - also eine Krankenschwester, nehme ich an. Sie setzt sich zu mir ans Bett und sagt, sie sei eine Psychologin und müsse mir dringend etwas sagen. Sie meint, ich hatte sehr viel Glück bei dem schweren Unfall und habe mir so nur den Fuß gebrochen und einige kleine Verletzungen zugezogen. Zögerlich fuhr die Frau fort:“ Und...ähm...ich muss dir noch eine schreckliche Nachricht überbringen!“ Oh nein,was war geschehen? „Es wird schwer für dich sein, du bist ja erst acht aber ....... deine Eltern sind bei diesem Unfall ums Leben gekommen. Es tut mir sehr Leid, doch du wirst in ein schönes Kinderheim gebracht und hoffentlich bald von einer netten Familie adoptiert.“ Ich hatte keine Eltern mehr, und weil ich meine Verwandten nicht kannte, musste ich jetzt ins Kinderheim! Eine Welt war für mich in wenigen Minuten zusammengebrochen! Ich weinte, weinte und weinte, Minuten oder Stunden, ich weiß es nicht mehr!
*Advent 2099*
Dieser Schicksalsschlag begleitete mich bis heute! Heute, das ist ein Tag im Advent 2099. Ich bin jetzt schon 18 Jahre alt und seit neun Jahren bei einer Pflegefamilie. Sie ist wirklich gut zu mir. Ich verstehe mich prima mit ihnen! Sie helfen mir bei all meinen Problemen und versuchen mir das Leben leichter zu machen. Jeder Abend bei ihnen ist etwas besonderes, doch der heutige Abend ist anders, das spüre ich, doch ich weiß nicht, was es ist.
*Wer klingelt da?*
Das Telefon klingelt. Meine Pflegemutter nimmt den Hörer ab. Es ist wahrscheinlich eine ihrer Freundinnen aus dem Kochkurs. Sie plaudern stundenlang miteinander, tauschen Rezepte aus und vereinbaren Treffen. Doch sie spricht nur kurz ins Telefon, lächelt und gibt mir den Hörer. Wer das wohl sein mag so spät? Am anderen Ende ertönt eine bekannte Frauenstimme.
*Bis bald!*
„Hallo mein Schatz! Hier spricht deine Mutter! Ich suche schon seit einem Jahr nach dir und habe dich nun endlich gefunden! Ich weiß es, klingt verrückt, aber man hat dir nur erzählt ich sei tot, weil ich im Koma lag, für ganze acht Jahre! Du warst damals erst acht und hättest es nicht verstanden. Vor einem Jahr bin ich aufgewacht, obwohl die Ärzte sagten, es gäbe keine Hoffnung mehr für mich. Es ist nun wieder alles wie früher, ich habe keine Schäden zurückbehalten. Ich komme euch an Weihnachten besuchen! Ich freue mich schon so sehr, du musst mir alles erzählen, was ich verpasst habe! Tut mir Leid, dass ich schon aufhören muss! Ich habe eine wichtigen Kontrolltermin im Krankenhaus. Bis bald! Küsschen! Ich kann es kaum erwarten!“
*Wunder*
Es knackste und die Verbindung war getrennt. Ich ließ den Hörer fallen und fing an zu weinen wie damals im Krankenhaus. Doch jetzt nicht aus Schmerz, sondern aus purer Freude. Ich klammerte mich fest an meine Pflegeeltern, denn ich bin sicher, sie wussten, dass meine Mutter noch nicht tot war und wollten, dass wir wieder zusammenkommen. Das ist wie in einem Märchen, der Zauber der Adventszeit bewirkt also doch Wunder! Wie es mir meine Pflegefamilie immer beigebracht hat! Nun wird mein Leben endlich wieder eine weitere positive Wendung nehmen!