Vergiss nie, mein Kind
Alles schien damals so anders gewesen zu sein. So ..alt. Konnten sich die Zeiten wirklich so radikal ändern?
Mit gemischten Gefühlen klickte sich Karla durch einen Onlineshop, besah sich die Angebote auf der Suche nach passenden Geschenken für ihre Familie. Weihnachten stand vor der Tür, doch wie jedes Jahr war es nicht nur mit Freude und Liebe, sondern auch mit Stress verbunden. Seufzend wandte sie sich vom Bildschirm ab und sah aus dem Fenster. Fast schadenfroh schien die Sonne lachend vom Himmel, hüllte die Stadt in eine angenehme Wärme. Ihre Mutter hatte ihr einst erzählt, dass noch vor fünfzig Jahren Schnee gefallen war, wenn es weihnachtlich im Land wurde. Doch Karla wusste nicht einmal, wie Schnee aussah. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Denn schon lange bevor sie geboren worden war, hatte es aufgehört zu schneien und seitdem nie wieder angefangen. Stattdessen regnete es meist. Heftige Stürme durchzogen die Stadt, verfingen sich an den Zweigen der großen Tanne, die auf der einzigen Grünanlage aufgestellt worden war. Genauso wie in diesem Moment. Einige Kugeln lösten sich von den Zweigen und fielen zu Boden, wo sie hin und her rollten. Das Geräusch des aufprallenden Plastiks konnte sie fast bis hier her hören.
Mit einem Sprachkommando befahl Karla ihrem PC, sich herunterzufahren. Resigniert erhob sie sich aus dem flexiblen Stuhl, der sich an jeden Körper automatisch anpasste.
Sie blickte in ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung umher. Künstliches Feuer prasselte im Kamin, durch einen versteckten Lautsprecher konnte sie das nachgemachte Geräusch knisternden Holzes hören. Lange starrte sie in den Kamin, sah die Flammen vor ihren Augen tanzen, sich züngeln, bis das Bild vor ihren Augen verschwamm. Wie in einem Film sah sie nun alte Fotografien ihrer Eltern und Großeltern. Sie konnte kaum glauben, was sie ihr erzählt hatten. Alles schien damals so anders gewesen zu sein. So ..alt. Konnten sich die Zeiten wirklich so radikal ändern?
„Denk daran, mein geliebtes Kind, was auch immer die Zeit mit sich bringt, vergiss nie den wahren Grund des Weihnachtsfestes, denn nur dann kennst du etwas, das sich nie ändern wird, das immer gleich bleiben wird in den Köpfen der Menschen.“
Deutlich vernahm sie die Worte, die ihre Großmutter immer zu sagen gepflegt hatte. Karla dachte lange darüber nach. Könnte sie damit wirklich recht haben?
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Autorin / Autor: sarahr - Stand: 12. November 2008