Tödliche Freundschaft - Teil 7
Anne-Katrin Kreisel
Nachdem die Leiche bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war, was ganz schön lange gedauert hat, löschte ich die Flamme mit Wasser aus dem im Wald fließenden Bach. Zusätzlich legte ich auch noch einen halben hohlen Baumstamm über sie und die ebenfalls verkohlten Handschuhe. Zur Tarnung.
Jetzt sitze ich zu Hause und weiß mal wieder nichts mit mir anzufangen. Bis eben war mir noch total elend und ich musste mich, wie beim letzten Mord, übergeben. Jetzt habe ich mich einigermaßen wieder beruhigt. Die Hausaufgaben habe ich schon gemacht, und der Ranzen ist auch schon gepackt. Ich könnte lernen. Bei der Vorstellung muss ich an den Physiktest denken. Bäh. Ich gehe in die Küche und setze mich auf die Anrichte. Auf dem Waschbeckenboden liegt mein Klappmesser und schwimmt in einer Mischung von Wasser, Spülmittel, Chlor und Essig. So hoffe ich, dass die Blutspuren verschwinden. Der widerliche Gestank des Essigs steigt mir in die Nase. Ich stecke eine Hand ins Wasser und suche den Stöpsel. Ich ziehe ihn raus. Das stinkende Gemisch verschwindet gluckernd im Ausfluss. Das Messer liegt nun gut sichtbar im Becken und blitzt mich an. Am Geschirrtuch trockne ich es ab. Ich reiße das Fenster der Küche auf, damit der Essiggeruch verschwindet. Im Bad steht ja auch das Raumspray, also renne ich mit dem Spray durch die Wohnung und sprühe nicht nur die Küche, damit es nicht so auffällt. Danach wandert das Zeug wieder ins Badezimmer.
Und nun? Ich schaue auf die Uhr: Es ist sechs. Es bleibt noch genug Zeit, bis meine Eltern kommen. Ich könnte zu Maria gehen...
Vor ihrem Haus bleibe ich stehen. Soll ich jetzt wirklich klingeln? Ja. Maria macht mir die Tür auf. „Hallo Anni! Weißt du was, es ist mal wieder was ganz Schreckliches passiert. Eben hat Bettinas Mama angerufen und gefragt, ob sie bei uns ist, denn sie ist nach der Schule nicht nach Hause gekommen. Nicht, dass sie genauso verschwindet wie Nicole! Die Polizei hat Nicole immer noch nicht gefunden. Aber was rede ich hier, komm erstmal rein.“ Also, dass sie davon so schnell mitkriegt war ja nicht geplant. „Ja, hoffentlich erleidet sie nicht das gleiche Schicksal.“ Dafür könnte ich mir auf die Zunge beißen. Oben, in ihrem Zimmer, stelle ich eine Veränderung fest: der Hamsterkäfig steht nicht mehr in seiner Ecke. „Wo ist denn Max hin?“ Maria guckt traurig. „Er ist letztes Jahr an einem Gehirntumor gestorben.“ Sonst hat sich nicht viel geändert in ihrem Zimmer. Der Bettbezug ist hellblau und nicht orange, wie sonst.
„Setz dich.“ Maria schiebt einen Stuhl in meine Richtung und ich folge ihrer Aufforderung. „Ach ja... schön, dass ich mal wieder bei dir sein kann. Und überhaupt... Warum stehst du immer nur bei deinen neuen Freundinnen und kommst nicht mal zu mir rüber? So weit ist das nun auch nicht.“ Dabei lasse ich neue wie ein Schimpfwort klingen. Ich wollte sie schon lange mal zur Rede stellen. Maria druckst rum. „Na ja... also...“ Sie zuckt die Schultern. „Passiert.“ „Weißt du eigentlich, wie ich mich dabei fühle? Nein? Verdammt scheiße. Sorry, aber es ist so. Bevor du hierher zogst, war ich alleine. Keiner hat sich um mich gekümmert. Ich hatte nicht eine, nicht eine einzige Freundin. Aber dann kamst du und warst nett zu mir. Du warst für mich wie eine Heilige, eine Gottheit. Jetzt bin ich wieder alleine. Du bist in der 7a, ich in der 7b. Alles in bester Ordnung.“
Ich habe jetzt Tränen der Wut in meinen Augen. Mit dem Pulloverärmel wische ich sie ärgerlich weg. „Oh Anni, ich wusste ja gar nicht, dass das so schlimm für dich ist!“ Sie beugt sich vor und nimmt mich in die Arme. Nach einer Weile löse ich mich aus ihrer Umarmung. „Tut mir leid, dass ich dich so verletzt habe. Ab jetzt wird alles anders.“ Ich schaue ihr fest in die Augen. Es scheint ihr wirklich leid zu tun, was sie mir da angetan hat. „Ist schon okay.“ Wenn sie wüsste, was ich schon alles unternommen habe, damit sie auf genau diese Idee kommt... Nichts desto trotz muss ich meinen Plan zu Ende bringen.
Der nächste Teil wird am 9. März veröffentlicht >>>
Autorin / Autor: Anne-Katrin Kreisel - Stand: 6. März 2009