Der Neid der jungen Männer

EU-Studie: Besonders junge Männer haben große Schwierigkeiten, Fortschritte bei den Frauenrechten zu akzeptieren

Bild: Luise Weber

Wenn es um sexistische Einstellungen geht, wird oft das Bild des "alten weißen Mannes" herangezogen - aus der Zeit gefallen und der Entwicklung von Frauenrechten und anderer Errungenschaften aufgeklärter Gesellschaften immer ein Stück hinterherhinkend. Doch offenbar trügt das Bild, denn laut einer Studie der Universität Göteborg  über Gleichstellung und Sexismus in Europa sind es besonders die jungen Männer, die die größten Schwierigkeiten haben, die Fortschritte bei den Frauenrechten zu akzeptieren.

Während Mädchen und Frauen in westlichen Demokratien in den letzten Jahrzehnten immer gleichberechtiger wurden, mehr Bildungschancen wahrnahmen als Männer und häufiger in Führungspositionen tätig wurden, wuchs gleichzeitig ein sogenannter "moderner Sexismus" heran, der gegen die Frauenrechte mobil machen will. Ein Beispiel für modernen Sexismus ist, wenn Menschen die Gesellschaft als gleichberechtigt betrachten und sich daher weiteren Bemühungen zur Förderung der Frauenrechte widersetzen. Ihre Argumentation beruht auf dem so genannten Nullsummenspiel, bei dem der Fortschritt einer Gruppe so gesehen wird, dass er nur auf Kosten einer anderen Gruppe stattfinden kann. "Manche Menschen glauben, dass eine stärkere Gleichstellung der Geschlechter nur den Frauen zugute kommt, und sehen nicht die Vorteile für die Gesellschaft als Ganzes. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieses Gefühl der Ungerechtigkeit die Bürger sogar dazu motivieren kann, rechtsradikale Parteien zu wählen, die gegen Feminismus und sexuelle Freiheit sind", sagt Gefjon Off, Doktorand der Politikwissenschaft.

*Zu weit gegangen*
Gemeinsam mit Amy Alexander und Nicholas Charron, beide Politikwissenschaftler an der Universität Göteborg, hat sie untersucht, was hinter dem relativ hohen Anteil an modernem Sexismus unter jungen Männern in Europa steckt. Dazu befragten sie 32.469 Menschen in 27 EU-Ländern, inwieweit sie der Aussage zustimmen, dass "die Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen zu weit gegangen ist, weil sie die Chancen von Männern und Jungen bedroht".

Das Ergebnis mag verblüffen: Nicht die Älteren, sondern junge Männer zwischen 18 bis 29 Jahren stimmten diesen Aussage in der Umfrage am häufigsten zu. Und: Je älter die Männer, desto weniger stimmen sie dieser Aussage zu. Es stimmten wohl auch einige Frauen zu, aber in weitaus geringerem Maße als Männer aller Altersgruppen. "Die Ergebnisse stehen im Widerspruch zu früheren Untersuchungen, wonach die ältere Generation am konservativsten und am stärksten gegen Fortschritte bei den Frauenrechten eingestellt ist", schlussfolgert Gefjon Off.

*Warum neigen junge Männer zu modernem Sexismus?*
Die Forscher_innen haben eine Reihe von Faktoren ermittelt, die erklären, warum der moderne Sexismus bei jungen Männern im Alter zwischen 18 und 29 Jahren am stärksten ausgeprägt ist. Dabei fanden sie heraus, dass der Anteil in den Regionen am höchsten ist, in denen die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren am stärksten zugenommen hat und in denen die Bürger_innen beispielsweise aufgrund der weit verbreiteten Korruption ein großes Misstrauen gegenüber sozialen Einrichtungen hegen. Dazu gehört zum Beispiel die Slowakei. In dem EU-Land liegt der Anteil der jungen Männer, die Fortschritte bei den Frauenrechten ablehnen, am höchsten. In einigen Regionen des Landes ist die Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren um bis zu 1,1 Prozent angestiegen. "Mehr als andere EU-Bürger sind die Slowaken der Meinung, dass die öffentlichen Institutionen ihres Landes nicht unparteiisch sind, das heißt, dass ihre sozialen Einrichtungen bestimmte Personengruppen bevorzugen", sagt Nicholas Charron, Professor für Politikwissenschaft.

*Schweden unter den Top 10*
Auch in Schweden spielt die Arbeitslosigkeit eine Rolle. Laut der Studie leben die meisten der jungen Männer, die der Aussage zustimmen, dass Frauenrechte die Chancen von Männern und Jungen bedrohen, in Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren gestiegen ist. "Die Kluft zwischen den Ansichten junger Frauen und junger Männer über die Förderung der Frauenrechte ist in Schweden sehr groß, das nach unseren Messungen zu den Top 10 in der EU gehört", sagt Nicholas Charron.

Die Tatsache, dass junge Männer in diesem Zusammenhang hervorstechen, könnte auf ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen sein, vermuten die Forschenden. In dem Alter hätten sie vielleicht noch keinen festen Arbeitsplatz, oder sie seien in ihrer Karriere noch nicht so weit fortgeschritten wie ältere Männer. "Möglicherweise empfinden junge Männer, die glauben, dass Frauen ihnen auf dem Arbeitsmarkt den Rang ablaufen, Fortschritte bei den Frauenrechten als ungerecht und als Bedrohung. Wir müssen die Vorteile der Gleichstellung der Geschlechter besser kommunizieren. Väter können mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, und die Last, der Ernährer der Familie zu sein, wird geringer, wenn auch die Mütter in den Familien beruflich aufsteigen", sagt Gefjon Off.

Ob es allerdings nur an der Wettbewerbssituation auf dem Arbeitsmarkt liegt, dass antifeministische Haltungen bei jungen Männern zunehmen, sei dahin gestellt. Vermutlich gibt es noch viele andere Gründe, aber fest steht, dass Mädchen und jungen Frauen auf dem Weg zum Erfolg und zur tatsächlichen Gleichstellung wohl noch lange Zeit Steine in den Weg gelegt werden dürften ...

Quelle:

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung; Bild: Luise Weber - Stand: 4.10.2022