Am Ende gewinnt das Vertraute

Studie zeigt, dass wir "kurz vor Schluss" doch lieber nichts Neues und Aufregendes wollen

Wenn Menschen glauben, dass etwas zu Ende geht und ihnen nur noch eine begrenzte Zeit bleibt, um etwas zu genießen, zum Beispiel einen Restaurantbesuch oder eine Reise, setzen sie offenbar eher auf das Vertraute als auf etwas Neues. So lautet das Ergebnis einer von der American Psychological Association veröffentlichten Untersuchung.

Frühere Forschungen haben ergeben, dass Menschen im Durchschnitt lieber neue und aufregende Erfahrungen machen als auf das zurückzugreifen, was sie schon kennen. Sie würden zum Beispiel lieber einen neuen Film genießen, als sich etwas anzusehen, das sie bereits gesehen haben. Die Studienautoren Ed O'Brien, PhD, und Yuji Katsumata Winet von der University of Chicago Booth School of Business vermuteten jedoch, dass ein vermeintlich kommendes "Ende" diese Entscheidungen beeinflussen könnte.

Im ersten Experiment baten die Forschenden 500 Online-Teilnehmende und 663 Studierende, hypothetische Szenarien zu lesen, in denen sie die Wahl zwischen einer neuen Erfahrung oder einer vertrauten, geliebten Erfahrung hatten - wie das Lesen eines neuen Romans gegenüber dem nochmaligen Lesen eines alten Lieblingsromans oder der Besuch einer neuen Stadt gegenüber dem Wiedersehen einer geliebten Stadt. Eine Hälfte wurde einfach gebeten, die Wahl zu treffen, während die andere Hälfte sich vorstellen sollte, es sei für eine Weile die letzte Gelegenheit zu reisen oder einen Roman zu lesen. Das Ergebnis: Insgesamt wählten die Teilnehmenden der "Letzte-Gelegenheit"-Gruppen in allen Situationen mit größerer Wahrscheinlichkeit eher die vertrauten Aktivitäten.

Bei den nächsten Experimenten gingen die Forschenden über hypothetische Fragen hinaus und untersuchten das Verhalten der Menschen im Labor und im wirklichen Leben. In einem der Experimente wurde den Teilnehmer_innen beispielsweise gesagt, dass sie einen Geschenkgutschein für ein Restaurant erhalten würden, und dass dieser innerhalb des nächsten Monats eingelöst werden müsse. Dann sollte die Hälfte der Versuchsgruppe darüber nachdenken, wie wenige Gelegenheiten sie im nächsten Monat für einen Restaurantbesuch hätten und was sie daran hindern könnte. Schließlich wurden sie gefragt, ob sie einen Geschenkgutschein für ein Restaurant bevorzugen würden, das sie schon einmal besucht hatten, oder für ein neues Restaurant. Auch hier wählten wieder 67 % aus der "Letzte-Gelegenheit"-Gruppe einen Geschenkgutschein für ein bekanntes Restaurant, während es in der Kontrollgruppe nur 48 % waren.

Schließlich untersuchten die Wissenschaftler_innen, warum ein vermeintliches Ende Menschen zu vertrauten Dingen hinzieht. Dabei kam heraus, dass es nicht nur daran liegt, dass die Teilnehmenden wussten, dass ihnen die vertrauten Erfahrungen gefallen würden, sondern auch, dass sie diese vertrauten Dinge eher als persönlich bedeutsam empfanden.

"Das Ende regt die Menschen dazu an, darüber nachzudenken, was ihnen persönlich wichtig ist. Menschen mögen es, Dinge mit etwas Bedeutungsvollem zu beenden, da es dabei einen psychologischen Abschluss gibt; und in den meisten Fällen sind alte Lieblingsstücke bedeutungsvoller als aufregende Neuheiten", erklärt Winet.

Die Studie sei deshalb besonders interessant, weil sie dem Mythos widerspricht, nach dem Menschen am Ende ihres Lebens Dinge tun wollen, die sie noch nie getan haben, aber schon immer tun wollten. "Hier stellen wir fest, dass die Menschen, zumindest in diesen alltäglicheren Zusammenhängen, das Gegenteil tun. Sie wollen das beste Ergebnis am Schluss erzielen, und das geht nur mit etwas, von dem sie wissen, dass es auch wirklich gut ist", so die Studienautor_innen.

Die Ergebnisse seien aber nicht nur für die Gestaltung des Lebensendes relevant, sondern könnten den Menschen auch dabei helfen, ihre Zeit besser zu strukturieren, um den Genuss von Erlebnissen zu maximieren, z. B. indem sie eine alte Lieblingsattraktion am letzten und nicht am ersten Tag eines Urlaubs besuchen. Und vielleicht könnten solche psychologischen Rahmen auch nützlich sein, um größere gesellschaftliche Probleme anzugehen. "Wenn man die Menschen zum wiederholten Konsum anregt, indem man das Ende und die letzte Chance betont, könnte man auf subtile Weise den nachhaltigen Konsum fördern, indem man die Verschwendung eindämmt, die sich zwangsläufig durch die ständige Suche nach Neuem ansammelt", so Winet.

Die Studie wurde im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht

Quelle:

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 11. Oktober 2022