Ohne Handy ängstlich und allein

Studie über Entzugserscheinungen bei Medienverzicht

Wenn Raucher einen Tag lang versuchen, den Zigaretten zu widerstehen, sind Entzugserscheinungen vorprogrammiert. Ähnliche psychische und körperliche Symptome wie bei Rauchern auf Entzug wurden jetzt bei jungen Menschen festgestellt, die „nur“ 24 Stunden auf Medien verzichten sollten. Die StudienteilnehmerInnen wurden von Angstzuständen geplagt, sie fühlten sich alleingelassen, wie auf einer einsamen Insel und hörten Handyklingeln, obwohl gar kein Handy in der Nähe war.

Für die Studie des „Center for Media and the Public Agenda” (ICMPA) der University of Maryland und der Salzburg Academy on Media and Global Change wurden Studenten von 12 Universitäten gebeten, einen Tag lang keine Medien zu verwenden und über ihr Befinden Tagebuch zu führen. Verboten waren alle Medien wie Handy, Internet, iPod, Zeitung, Fernsehen und Radio. Damit hatten die TeilnehmerInnen weder Zugriff auf ihre E-Mails noch auf SMS, Facebook und Twitter oder etwa Musik. Lediglich Bücher durften sie lesen oder das Festnetztelefon benutzen.

TV-Verzicht ist ok, aber ohne Musik geht nichts

Die Studie mit dem Titel „Unplugged“ zeigt, dass junge Menschen nicht nur unwillig sind, auf Medien zu verzichten, sie seien sogar unfähig, ihren Alltag ohne Handy, Internet und Co. zu bewältigen, so die ForscherInnen. Die meisten TeilnehmerInnen waren wenig angetan von dem Experiment. Viele von ihnen sagten, dass sie sich während der 24 Stunden ängstlich und von ihrer Umwelt ausgeschlossen fühlten. Einige berichteten, dass sie aus Reflex zu ihrem nichtvorhandenen Handy greifen wollten oder sich einbildeten, es klingeln zu hören.

Die Studie zeigte auch, dass die jungen Menschen sehr gut auf Zeitung oder Fernsehen verzichten können. Gar nicht kommen sie hingegen ohne Musik aus. Schließlich kann man mit dem MP3-Player langweilige Zugfahrten überbrücken und die eigene Stimmung aufhellen. Auch der Verzicht auf Handy und das Internet wirkte sich besonders negativ auf die Stimmung der TeilnehmerInnen aus. Manche brachen das Experiment aus purer Langeweile ab, da sie keine Alternativen fanden, um sich zu beschäftigen. Natürlich entdeckten einige StudentInnen, dass sie ohne Medien viel konzentrierter lernen und sich auch ohne Handy und Co. mit ihren Freunden im Café verabreden können. Viel überraschender war für die Mehrheit allerdings erkannt zu haben, wie abhängig sie wirklich von den Medien und der Informationsflut seien.

Die Wissenschaftler sehen in den Entzugserscheinungen bei Medienverzicht eine neue Art von Verhaltensstörung: die Information Deprivation Disorder. Damit wird das Gefühl bezeichnet, durch fehlende Informationen aus der Welt ausgeschlossen zu sein.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 4. Januar 2011