Mädchenschulen: Ziemlich cool - auch ohne Jungs
Warum verzichten Mädchen freiwillig auf Jungs im Klassenzimmer?
Ziemlich cool - auch ohne Jungs
Wie auch ich haben sich die meisten Mädchen, mit denen ich spreche, nicht bewusst für eine Mädchenschule entschieden. Vielmehr spielten praktische Gründe eine Rolle, wie zum Beispiel eine ältere Schwester, die bereits auf der Schule ist und aus deren Erzählungen man weiß, dass die Schule „schwer in Ordnung“ ist. Leonie, 12 Jahre jung und Schülerin der siebten Klasse, erklärt ihre Entscheidung für das Marienberg-Gymnasium damit, dass die Schule nicht nur einen guten Ruf habe, sondern auch „ziemlich cool“ sei. „Von Jungen habe ich damals sowieso nicht viel gehalten.“, meint ihre Klassenkameradin Nicole, 13. Deshalb sei es auch nicht schwergefallen, im Klassenzimmer auf sie zu verzichten. Marelina, 16, aus der zehnten Klasse, hat sich hingegen bewusst dafür entschieden, das Klassenzimmer nicht mit Jungs zu teilen, um sich so besser aufs Lernen zu konzentrieren, „denn das ist ja der Sinn einer Schule. Auf einer gemischten Schule gibt es oft Störungen.“
Warum verzichten Mädchen freiwillig auf Jungs im Klassenzimmer?
Und was ist das Besondere an einer Mädchenschule? Klar: es sind keine Jungs da – auf diese Antwort, die ich von einigen Schlaumeierinnen der unteren Klassen erhalte, wäre ich selbst auch noch gekommen… aber da muss doch noch mehr sein; es muss doch irgendeinen Grund geben, warum Tausende von Mädchen, die am Nachmittag dem männlichen Geschlecht durchaus nicht abgeneigt sind, am Vormittag lieber auf Jungs verzichten und im Klassenraum gerne unter sich sind.
Man muss sich im Unterricht nicht verstellen
Johanna ist 16 Jahre jung und geht in die zehnte Klasse. Das Besondere am Lernen in einer reinen Mädchenschule ist für sie das angenehme Lernklima: „Man muss sich im Unterricht nicht verstellen.“, sagt sie. „Man kann sich trauen, etwas zu sagen. Irgendwie hat man das Gefühl einer privateren und geschlossenen Atmosphäre.“ Judith, ebenfalls 16 und auch in der zehnten Klasse, sieht das ähnlich: „Man kann sich viel besser entwickeln und steht nicht unter dem Druck, unbedingt geschminkt und perfekt gestylt zu sein.“ Anna ist 19 und Abiturientin. Für sie ist das Besondere an einer Mädchenschule „eine ruhige Unterrichtsatmosphäre – aber auch Zickerei“.
Es gibt keine Liebespaare und daher kein Imponiergehabe
Gehen die Schülerinnen anders miteinander um?, frage ich. „Auf jeden Fall gibt es keine Liebespaare.“, kommentiert Svenja, 13, aus der siebten Klasse trocken. „Es gibt keine Streits um irgendwelche Jungs.“, meint auch Judith. „Und dadurch auch weniger Zickenkrieg. Außerdem muss man sich nicht besonders stylen, was auf gemischten Schulen wohl viel krasser gemacht wird, um den Jungs zu imponieren.“ Johanna glaubt, dass das Klassenklima in gemischten Schulen ganz anders ist: „ Die Jungs sind teilnahmslos, um cool zu wirken und die Mädchen genieren sich. Die Konzentration in der Klasse ist auch nicht so gut, weil man sich besonders in der Pubertät vom anderen Geschlecht stark beeinflussen lässt." Nicole betont den starken Zusammenhalt im Klassenverband: „Auf einer Mädchenschule ist die Klasse ein starkes Team. Soweit ich es aus den Erzählungen meiner Brüder weiß, sind es in den gemischten Schulen eher zwei getrennte Gruppen: die Jungs und die Mädchen.“
Mehr Zusammenhalt, weniger Vorurteile
Ruhiges Lernklima, Zusammenhalt und Solidarität, klingt ja alles schön und gut… aber wünschen sich die Mädchen insgeheim nicht manchmal doch, den Klassenraum mit gleichaltrigen Jungs zu teilen? „Manchmal schon.“, meint Nicole. „Um denen zu zeigen, dass Mädchen auch was drauf haben.“ Auch Judith findet es die meiste Zeit schön, so wie es ist: „Ich mache ja auch noch außerschulische Aktivitäten, bei denen ich mit Jungs zu tun habe.“ Anna kann sich nicht so recht entscheiden: „Einerseits wäre der Umgang mit Jungs so normaler und selbstverständlicher, andererseits kann man im getrennten Unterricht ganz man selbst sein. Es gibt auch keine Vorurteile in Fächern wie Sport oder den Naturwissenschaften.“
Das sagen die Lehrer: Im zweiten Teil meiner Reportage kommen auch die Menschen jenseits des Pults zu Wort. ;) Ihr erfahrt, welche AGs und Veranstaltungen Mädchenschulen anbieten, um die Schülerinnen auch auf das Leben und Arbeiten in männerdominierten Bereichen vorzubereiten und warum Mädchenfußball Zukunft hat…
Keine Angst vor Jungs
Im Alltag fällt der Umgang mit gleichaltrigen Jungs nicht schwer, obwohl man natürlich automatisch weniger alltäglichen Umgang mit ihnen hat, wie Anna herausstellt. „Vor allem, wenn man auch noch ein Hobby ausübt, welches eher typisch für das weibliche Geschlecht ist.“ Auch Johanna glaubt, „dass ich dadurch, dass ich auf eine Mädchenschule gehe, erst viel später als andere gelernt habe, normal mit Jungs umzugehen. Mittlerweile hat sich das aber gelegt.“
Davor, später, im Studium oder der Berufsausbildung, mit Jungs zusammen lernen zu müssen, können oder dürfen, haben die Marienberg-Mädchen keine Angst: „Die können auch nicht schlimmer als mein kleiner Bruder sein.“, meint Judith und auch Nicole findet: „Wenn man Brüder hat, ist man darauf gut vorbereitet.“
Und damit ist eigentlich alles gesagt: Starke Mädchen, starke Schule. Die Marienberg-Mädels blicken jedenfalls optimistisch in eine Zukunft, auf die sie sich auch ohne männliche Klassenkameraden bestens vorbereitet fühlen.
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Autorin / Autor: principessa - Stand: 25. Februar 2009