Interview mit Catharina Schmalstieg

Das Gegenteil von Rechtsextremismus ist Demokratie

Astrid: *Was sagt ihr Jugendlichen, die mit euch über ihre rechte Gesinnung reden wollen? Beispiel „ich krieg keinen Ausbildungsplatz wegen der Ausländer…“* Catharina: Ich frage immer: wie kommst du auf so was? Und dann kommt ziemlich schnell dabei raus, dass sie wenig über den Arbeitsmarkt in Deutschland und fast nichts über die beschränkten Zugangsrechte von Menschen ohne deutschen oder EU-Pass wissen. Über die Ursachen von Migration, die Situation in den Herkunftsländern der Menschen, die nach Deutschland kommen oder gekommen sind, weil sie aufgrund politischer Verfolgung fliehen mussten, wissen die meisten noch weniger. Das ist auf jeden Fall ein Thema, über das viel Unsinn durch die Gegend geistert und wo es viel Aufklärungsbedarf gibt. Hier können sinnvolle Projekte ansetzen.

Astrid: *Was kann man tun – gegen eine rechtsradikale Gesinnung?* Catharina: Das Gegenteil von Rechtsextremismus ist Demokratie. Wo diese nicht lebendig ist, können sich menschenverachtende Denkweisen ausbreiten. Man sollte Vorurteile aufdecken und zurückweisen, kurz: Aufklärungsarbeit leisten und für demokratische Prinzipien eintreten: individuelle Freiheits- und Menschenrechte, Mitbestimmung, Pluralität der Lebensentwürfe usw. Das kann im Prinzip jede und jeder von dem Platz aus tun, an dem sie/er lebt, wohnt, zur Schule geht usw. Die Stärkung derjenigen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren ist ein wichtiges Ziel im Umgang mit Rechtsextremismus vor Ort.

Astrid: *Gibt es einen greifbaren Unterschied zu anderen radikalen Gesinnungen (Linksextremismus, Fundamentalismus…)?* Catharina: Wenn man Rechtsextremismus versucht inhaltlich zu bestimmen, wie ich das gerade versucht habe, ergibt sich vor allem ein deutlicher Unterschied in Bezug auf die Annahme der Gleichheit aller Menschen. Die extreme Ignoranz und Missachtung der Menschen- und Freiheitsrechte sowie die Ablehnung der Werte der Aufklärung und der Demokratie sind aus meiner Sicht die deutlichsten Merkmale des Rechtsextremismus. Das trifft in ähnlichem Maße auch auf islamistische und fundamentalistische Bestrebungen zu. Die Ansichten der Rechten sind immer eng mit Gewalt verbunden – sie wird nicht immer aktiv ausgeübt, aber auf jeden Fall wird Gewaltanwendung gegen Andersdenkende, Andersaussehende oder Anderslebende akzeptiert, wenn man den „rechten“ Parolen zustimmt. Bei den Linken gibt es so was nicht, die haben auch einen sehr viel stärkeren Bezug auf die Ideale der Menschenrechte und der Emanzipation sowie deren Verteidigung. Anerkennung von Unterschieden gehört irgendwie zu deren Demokratieverständnis dazu.

Astrid: *Wenn du dir was wünschen kannst in Bezug auf deine Arbeit und dieses Thema – was wünschst du dir?* Catharina: Ich wünsche mir, dass diejenigen mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit bekommen, die etwas für die gelebte Demokratie und damit gegen menschenverachtende, rechtsextreme Bestrebungen unternehmen - und ich wünsche mir, dass es mehr Leute werden.

Mehr Infos

Autorin / Autor: ~astrid~ - Stand: 25. Februar 2005