Ramadan - Fasten für das Glück
Tatlim ist junge Muslimin und erzählt, wie es ist, eine Zeit lang auf das Essen zu verzichten.
Vom 11. August bis 8. September 2010 sehen die Spät-Sommertage für Millionen von gläubigen Muslimen auf der ganzen Welt ganz anders aus: Statt sich die Hitze mit Eis und kühlen Drinks vom Leib zu halten, nehmen sie den ganzen Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder Essen noch Getränke zu sich. Es ist 29 Tage lang Ramadan, der Fastenmonat. Das Fasten währen dieser festgelegten Zeit ist eine der im Koran verankerten religiösen Pflichten der Muslime. Zum Fasten gehört per Definition nicht nur der Verzicht auf Speisen und Getränke, sondern auch die Einhaltung von ethisch-moralischen Regeln: So sind zum Beispiel "üble Nachrede", "Verleumdung", "Lügen" und "Beleidigungen aller Art" verboten.
Obwohl es hierzulande heftige Kritik an der Praxis des Fastens gibt, wie zum Beispiel unzureichende Flüssigkeitsaufnahme und Überlastung des Körpers durch die nächtlichen üppigen Mahlzeiten, beteiligen sich viele Muslime, auch viele Jugendliche an diesem Ritual. Wir sprachen mit einer jungen fastenden Türkin, die erklärt, was sie daran fasziniert.
Du bist gläubige Muslimin und fastest. Macht deine ganze Familie da mit?
Ja ich bin Muslim und gläubig :) Nein, meine ganze Familie macht da nicht mit, weil die meisten arbeiten gehen. Ich habe noch zwei Geschwister, die aber auch nicht fasten können, weil sie arbeiten gehen, das wird sonst zu anstrengend. Bei meinen Eltern ist das genau so, und da ich ja noch Schülerin bin und sowieso Ferien hab, bin ich die einzige, die fastet ^^ Am Wochenede fasten wir aber alle zusammen :-).
Wie läuft der Rhythmus des Fastens und Essens genau ab?
Angefangen hat der Ramadan in diesem Jahr am 11. August. Die Fastenzeit beginnt jedes Jahr etwas früher, das ist eigentlich schlecht für uns Muslime, denn es ist Sommerzeit, und in der Wärme fällt es schwerer. Während andere Wasser trinken und Eis essen, um sich zu erfrischen, fasten wir - wir trinken ja auch nichts. Und weil die Tage im Sommer länger sind, heißt das für uns ca. 16 Stunden fasten.
Abends, nach Sonnenuntergang treffen wir uns dann mit unseren Familien oder Freunden, um Allah zu danken und gemeinsam zu essen und zu trinken. Wir beginnen das Abendessen meistens mit einer Dattel, einem Glas Wasser oder mit Oliven. Danach gibt es meist Suppe und dann folgt die Hauptmahlzeit.
Denkst du nicht den ganzen Tag ans Essen?
Doch klar ;-). Wenn ich zum Beispiel im Internet mit meinen Freunden chatte, reden wir so viel über's Essen, bis wir am Ende sagen: "Oh man, sind wir doof!" Aber wir wissen, dass wir das Fasten bis zum Ende, also bis nach Sonnenuntergang, wenn wir wieder essen dürfen, schaffen. Wenn es ganz schwer wird, lenken wir uns ab: schlafen ein paar Stunden länger oder gehen raus. Aber, nein, den ganzen Tag denk' ich nicht ans Essen, nur abends, wenn ich das Essen mit meiner Mama vorbereite. Nach einer Zeit gewöhnt man sich auch daran, denn man weiß ja, dass die Gedanken ans Essen die Zeit bis zum Sonnenunterganag auch nicht kürzer machen ;-).
Was sind deine persönlichen Erfahrungen beim Fasten? Ist man in dieser Zeit irgendwie anders?
Ja es geht. Bei mir ist das so, dass ich meist nicht so oft raus gehen mag. Natürlich auch, weil ich dann hungrig würde und den ganzen Supermarkt leer kaufen würde ;-). Ich will lieber zu Hause bleiben. Aber wirklich anders ist man nicht. Vielleicht ist man ein wenig glücklicher und Gott dankbarer, dass man so gesund ist, dass man fasten kann.
Wie reagieren deine nichtmuslimischen MitschülerInnen darauf? Gibt es manchmal komische Kommentare?
Nein komische Kommentare hatte ich bissher nicht, nur die Frage "Nimmt man dann ab?" habe ich oft gestellt bekommen. Ah und das soll noch gesagt werden: man fastet auf gar keinen Fall, um abzunehmen, sondern um die Regel im Koran zu erfüllen. Somit wird für den Propheten gefastet. Es ist neben dem Essen auch zum Beispiel verboten, Böses zu denken oder zu tun. Die Nichtmuslime bzw. meine MitschülerInnen zeigen in der Regel großes Verständnis dafür und essen sogar meistens nicht in unserer Nähe, wenn wir fasten.
Was ist denn eigentlich der Sinn dieses Fastens?
Die Tradition zu fasten ist im Koran festglegt. Zum Fasten gehört auch, dass wir in der Zeit viel beten und an unseren Gott denken. Wir danken ihm für alles, was er uns gegeben hat, und dafür, dass er uns vor schlechten Erfahrungen schützt.
Gibt es auch Ausnahmen? Wenn man krank ist oder so?
Ja, wenn man krank ist, zum Beispiel Asthma hat oder erkältet ist, sollte man nicht fasten. Schwangere dürfen ebenfalls nicht fasten. Auch wenn Mädchen und Frauen ihre Regel bekommen, ist es verboten zu fasten.
Kennst du viele, die fasten?
Ja, ich kenne viele. Meine Familie und mein Freundeskreis fasten alle meistens.
Ab welchem Alter hast du angefangen zu fasten? Und ab welchem Alter ist das üblich?
Puuhh, ich habe jung angefangen. Ich wollte immer gern fasten als ich klein war, so mit 11. Meine Mama hat es mir immer verboten, denn 11 ist wirklich zu jung. Ich durfte am Anfang auch nur in den Ferien fasten. Die meisten beginnen ab dem 13. Lebensjahr zu fasten.
Am Ende gibt es ja ein Fest. Wann ist das in diesem Jahr und wie läuft das ab?
Ja, das ist das "Zuckerfest", auf türkisch "Seker Bayrami". In diesem Jahr ist es am 9. September und es dauert 3 Tage. Die Männer gehen morgens in die Moschee, und wenn sie wieder zu Hause sind, gratulieren wir uns alle gegenseitig zum Zuckerfest. Dann brechen wir das Fasten ab: Wir essen Bonbons, Kuchen und andere Süßigkeiten und besuchen unsere Freunde und Verwandten. Meist besuchen die Jüngeren die Älteren. Dann ist es Brauch, dass die Jüngeren den Älteren die Hand küssen und an die Stirn legen; der Handkuss ist quasi eine Ehrerbietung älteren Menschen gegenüber. Dann gibt es sehr viel zu Essen: Weinblätter mit Reis und verschiedene türkische oder andere Spezialitäten.
Der wichtigste Tag im Ramadan
Der wichtigste Tag im Ramadan ist drei Tage, bevor die Fastenzeit zu Ende geht. Dann feiern die Muslime die "Nacht der Bestimmung“. Wir glauben daran, dass Gott, Allah, in dieser Nacht der Prophet Mohammed erschienen ist und das der Koran, also die Heilige Schrift, vom Himmel gefallen ist. Dieser Tag ist in diesem Jahr am 5. September.
Möchtest du den Lizzys sonst noch was zu diesem Thema sagen?
Probiert doch auch mal zu fasten und verstezt euch einen Tag lang in die Situation der Muslime. Wenn ihr es zum ersten Mal macht, werdet ihr sicherlich ganz neue Erfahrungen machen. Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr sie mir gerne stellen, ich beantworte sie gerne!
Mehr Infos über Ramadan im Netz
Autorin / Autor: Rosi Stolz/ Tatlim - Stand: 30. August 2010